Kontroverse um Nationenliga: Bedenken zu UEFA-Projekt
Astana (dpa) - Gegen die Bedenken des DFB hat die UEFA ihre europäische Nationenliga auf den Weg gebracht und damit im deutschen Fußball eine Kontroverse ausgelöst.
Der verärgerte Ligapräsident Reinhard Rauball warnte die Europäische Fußball-Union (UEFA) vor Schnellschüssen, Clubs und die internationale Spielergewerkschaft FIFPro fürchten zusätzliche Belastungen. Bundestrainer Joachim Löw sieht die Test-Möglichkeiten für die DFB-Auswahl beschnitten. Vor allem „aus Gründen der Solidarität“ habe der Deutsche Fußball-Bund beim UEFA-Kongress in Astana zugestimmt, ließ DFB-Chef Wolfgang Niersbach spürbar reserviert wissen. Niersbach weiter: „Ich verhehle nicht, dass wir im gesamten Verlauf der Diskussion die Bedenken des DFB gegen die Nations League hinterlegt haben.“
Nun muss ausgerechnet Niersbach das neue Format als Vorsitzender der zuständigen UEFA-Kommission mit Leben füllen. Nach der WM 2018 soll die Nationenliga mit allen 54 UEFA-Mitgliedern starten, 2019 wird der erste Titelträger in einem Final Four ermittelt. Weil es keine Extra-Termine im Rahmenkalender geben soll, sind Freundschafts-Länderspiele weitgehend abgeschafft. Dies entspricht besonders dem Wunsch kleinerer Nationen, die zuletzt mit ihren Testpartien nur noch schwer Einnahmen erzielen konnten und durch den neuen Wettbewerb auf frisches Geld durch eine Zentral-Vermarktung hoffen. UEFA-Präsident Michel Platini sprach von einer „sehr demokratischen Entscheidung“.
„Wir sind sehr überrascht, dass dieses Thema in Astana ohne Vorankündigung auf die Tagesordnung gekommen ist und ein so weitreichender Beschluss getroffen wurde“, sagte Borussia Dortmunds Präsident Rauball. Mit seiner Kritik stand der Ligapräsident bei weitem nicht allein. „Wir glauben, dass es genug Wettbewerbe gibt“, erklärte HSV-Chef Carl Jarchow. „Ich befürchte, dass der Fußball in Gefahr gerät, sich zu inflationieren“, sagte Bayer Leverkusens Geschäftsführer Michael Schade. Werder Bremens Aufsichtsratsmitglied Willi Lemke warnt vor einer Interessenskollision zwischen Vereinen und Nationalverbänden.
Verständnis für die UEFA-Pläne zeigte indes die Vereinigung der europäischen Top-Clubs (ECA). „Wir sind nicht gegen den Nations Cup“, sagte der ECA-Vorsitzende Karl-Heinz Rummenigge, Vorstandschef des FC Bayern München, der Nachrichtenagentur dpa. Die Nationenliga werde keine negativen Folgen für die Vermarktung des Europacups haben. „Ich kann den deutschen Clubs jetzt schon versprechen, dass in der Champions League und auch in der Europa League die Zahlen weiter nach oben gehen“, sagte Rummenigge.
Wirklich glücklich aber scheinen die Spitzenvertreter des deutschen Fußballs nicht mit dem UEFA-Beschluss. Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff bat zwar, „Neuerungen offen entgegenzutreten“, mahnte aber zugleich: „Wir alle stehen in der Verantwortung, die Schraube nicht zu überdrehen.“ Bundestrainer Löw sieht durch die drastische Reduzierung von Test-Terminen nur noch wenig Chancen, sich auch mit nicht-europäischen Fußball-Kulturen zu vergleichen.
Da die deutsche Nationalmannschaft allerdings in der Top-Division A der Nationenliga gesetzt sein dürfte und dort auf Teams wie Spanien, Italien oder England treffen wird, könne der DFB „aus rein sportlicher Sicht damit leben“, beteuerte Löw.
Noch sind ohnehin viele Detailfragen ungeklärt. „Dazu gehört vor allem auch, den Fans das neue Format zu vermitteln“, sagte DFB-Generalsekretär Helmut Sandrock. Englands früherer Nationalstürmer Gary Lineker twitterte: „Überwältigt vor Aufregung über die UEFA-Nationenliga. Ich wünschte nur, ich würde sie verstehen!“
Besonders die sensible Frage nach möglichen Zusatzschichten für Nationalspieler durch den Wettbewerb wird dabei zum Streitpunkt. Die UEFA versichert, die Belastungen würden nicht weiter steigen. Die Club-Vereinigung ECA hofft sogar auf einen angenehmen Nebeneffekt: Künftig müssten etwa die spanischen Nationalspieler des FC Bayern nicht mehr weite und anstrengende Reisen zu Test-Länderspielen nach Südafrika oder Südamerika in Kauf nehmen.
Die Spielergewerkschaft FIFPro erwartet indes durchaus mehr Stress für Europas Top-Profis. „Es sollte klar sein, dass es einen Unterschied zwischen einem Freundschaftsspiel und einem Pflichtspiel gibt“, sagte FIFPro-Direktor Tijs Tummers. Durch den Wettbewerbscharakter würden Trainer in der Nationenliga nicht so häufig wie in Testspielen jüngeren Profis eine Chance geben. Stattdessen müssten die Topspieler noch mehr Einsatzzeiten absolvieren, weil mehr auf dem Spiel stehe, argumentierte Tummers.
Eine Reihe von Bundesligisten befürchtet ähnliches. „Es wäre doch schön gewesen, wenn man Spieler und Trainer miteinbezogen hätte. Der Körper ist nun mal bedingt belastbar“, schimpfte BVB-Trainer Jürgen Klopp. „Insbesondere in der Endphase der nationalen und internationalen Club-Wettbewerbe sind Vereinen und Spielern zusätzliche Belastungen nicht zumutbar“, sagte Ligapräsident Rauball. Zumindest im Kernmarkt Deutschland hat die UEFA mit ihrer Nationenliga noch ein Vermittlungsproblem.