Platini feiert EM-Coup - aber noch viele Fragen offen
Nyon (dpa) - Die erste europaweite EM kommt - das ist bislang aber auch das Einzige, was feststeht. Alle weiteren Details über Länder, Städte und Formate müssen noch geklärt werden. Der Erfinder der „verrückten Idee“ ist dennoch hochzufrieden.
Der Genfer See hinter Michel Platini versank im dichten Schneetreiben, vom mondänen Hauptquartier der UEFA waren die Berge auf der anderen Seite des Gewässers nicht mehr zu sehen. Genauso nebulös wie die Aussichten im schweizerischen Nyon sind derzeit auch noch die Umrisse der ersten europaweiten Europameisterschaft 2020, die die Exekutive der Europäischen Fußball-Union am Donnerstag verabschiedet hat. „Im Moment haben wir ein weißes Blatt Papier. Noch ist alles offen“, sagte Platini am Tag nach seiner großen Fußball-Revolution vor ausgewählten Journalisten.
In wie vielen Ländern die EM in acht Jahren ausgetragen wird? „Darüber haben wir noch nicht gesprochen.“ Wie das Bewerbungsprozedere genau aussehen wird? „Das war noch kein Thema.“ Sind auch mehr Städte aus einem Land als Austragungsorte möglich? „Das wird die Exekutive entscheiden.“ Wer gehofft hatte, von Platini ein paar nähere Details zu seinem bislang größten Coup zu bekommen, der wurde enttäuscht. Nur wer - neben ihm - am meisten von dem neuen Format profitieren wird, ist für den UEFA-Boss klar: die Fans.
„Wir bringen die Euro zu den Fans. Bislang mussten sie zur Euro kommen, jetzt kommen wir zu ihnen“, sagte der einstige Weltklassespieler. Sichtlich zufrieden präsentierte sich Platini an seinem Amtssitz. War er für seine am Finalwochenende der EM 2012 in Polen und der Ukraine vorgestellte Idee anfangs noch verspottet worden, hat sich der französische Strippenzieher nun ein weiteres Mal durchgesetzt. Da kann man sich trotz des hinter einem tobenden Winterwetters schon einmal zufrieden zurücklehnen.
Der Wettbewerbskommission der UEFA wird es nun in den kommenden Wochen und Monaten vorbehalten sein, die schwierige Detailarbeit für Platinis Mammutvorhaben umzusetzen. „Es gibt noch eine Vielzahl an Dingen, die geklärt werden müssen“, gestand auch Platini.
Im Januar oder März 2013 wird die UEFA-Exekutive das genaue Turnierformat und den exakten Bewerbungsprozess für das vorerst einmalige Vorhaben verabschieden. Danach haben alle 53 Mitgliedsverbände die Chance, sich für die „große Fußballparty zum 60. Jubiläum“ zu bewerben.
Erst im Frühjahr 2014 wird dann feststehen, in wie vielen Ländern und in welchen Städten gespielt wird. Dass Deutschland Bestandteil des paneuropäischen Turniers sein wird, darf als sicher gelten. Der Deutsche Fußball-Bund hat bereits erklärt, sich bewerben zu wollen.
Platini hatte am Freitag großen Spaß daran, dass die Öffentlichkeit noch eine ganze Weile im Unklaren sein wird. Für ihn war erst einmal wichtig, dass sein revolutionärer Vorschlag überhaupt umgesetzt werden wird. „Es ist vielleicht eine verrückte Idee, aber eine gute“, sagte Platini. Selbst FIFA-Präsident Sepp Blatter habe ihm dazu gratuliert. „Er hat gesagt, es ist eine exzellente Idee“, berichtete der UEFA-Präsident.
Die Gründe für das Abweichen vom bisherigen Format mit maximal zwei Ausrichtern liegen für Platini auf der Hand. „Es ist schwer ein Land zu finden, das es sich leisten kann, acht bis zehn neue Stadien und neue Flughäfen zu bauen“, sagte er mit Blick auf die Wirtschaftskrise in Europa. Die Kritik, dem Turnier ginge damit sein besonderer Charme verloren, wies er zurück. Auch die Reiseprobleme der Fans seien kein Hinderungsgrund. „Wir werden alles tun, um ihnen zu helfen.“ So wird ein Team kaum das erste Vorrundenspiel in Lissabon, das zweite in Astana und das dritte in London austragen.
Einen kleinen Einblick in seine Wünsche ließ Platini dann aber doch noch zu. Die Finalphase mit den beiden Halbfinals und dem Endspiel soll nach seinen Vorstellungen an einem Ort stattfinden. „Das würde ein besonderes Flair geben und eine spezielle Atmosphäre schaffen“, sagte Platini - um dann aber sofort hinzuzufügen: „Das entscheidet die Exekutive.“
Der Zeitplan bis zur EM 2020
von sofort an: die Wettbewerbskommission der UEFA arbeitet die Details für die übernächste Europameisterschaft aus. In wie vielen Ländern wird gespielt? Wo finden die Halbfinals und das Endspiel statt? Wie läuft die Qualifikation? Wie geht der Bewerbungsprozess über die Bühne?
Januar oder März 2013: Auf ihrer nächsten oder übernächsten Sitzung will die UEFA-Exekutive über das genaue Turnierformat und den exakten Bewerbungsprozess entscheiden. Danach haben alle 53 Mitgliedsverbände die Möglichkeit, sich zu bewerben.
Frühjahr 2014: Die UEFA-Exekutive entscheidet, in welchen Ländern und Städten die EM 2020 ausgetragen wird. Auch der Qualifikationsmodus soll dann verabschiedet werden.
Sommer 2016: In Frankreich findet die EM statt - mit 24 Teams und in einem einzigen Land.
Sommer 2020: Die EM findet erstmals in mehr als zwei Ländern statt.