Russland feiert erste Fußball-WM in Osteuropa
Moskau (dpa) - Im überschäumenden Jubel über die Gastgeberrolle für die Fußball-WM 2018 bemühte Regierungschef Wladimir Putin die Geschichte.
Sogar während der 900 Tage langen Blockade von Leningrad, dem heutigen St. Petersburg, durch deutsche Truppen im Zweiten Weltkrieg hätten die Menschen in der geschundenen Stadt Fußball gespielt, erinnerte Putin. „Das sagt alles über das Verhältnis der Russen zum Fußball!“ Präsident Dmitri Medwedew fasste sich zwar kürzer, schien aber nicht weniger euphorisch. „Hurra! Sieg! Wir bekommen die Weltmeisterschaft 2018!“, schrieb der Kremlchef nicht eben staatsmännisch im Twitter-Blog.
Zwischen Kaliningrad und Wladiwostok war die Freude über die in Zürich verkündete Entscheidung des Fußball-Weltverbands FIFA groß. In Moskau liefen Fans trotz einer Eiseskälte von minus 20 Grad Celsius jubelnd im Trikot der Sbornaja durch die Straßen. Russland stehe vor einem „goldenen Sport-Jahrzehnt“, kommentierte das Staatsfernsehen. 2013 findet in der Wolga-Stadt Kasan die Universiade statt, 2014 empfängt der Schwarzmeer-Kurort Sotschi die Welt zu den Olympischen Winterspielen. Spätestens 2015 soll in Sotschi das erste Formel-1- Rennen Russlands starten, und für 2016 hat das Riesenreich bereits den Zuschlag für die Eishockey-Weltmeisterschaft erhalten.
Die Rohstoff-Weltmacht Russland werde alles finanziell stemmen, versicherte Finanzminister Alexej Kudrin. „Die WM wird billiger als Olympia, wo alles kompliziert in die Berge des Kaukasus gebaut werden muss.“ Als WM-Austragungsorte sind 16 Stadien in 13 Städten vorgesehen, wobei das Turnier nur im europäischen Teil Russlands stattfinden wird. Auch so beträgt die Entfernung zwischen Kaliningrad an der Ostsee und Jekaterinburg am Ural rund 3000 Kilometer. Für Neu- und Ausbau der Sportstätten sowie der Infrastruktur sind umgerechnet 41,6 Milliarden Euro vorgesehen. Der Transport für Fans soll gratis sein und die Visumpflicht für Ausländer ausgesetzt werden.
Als historisch erster osteuropäischer Gastgeber einer WM wolle sich Russland 2018 als offenes Land präsentieren, versichert Vize- Regierungschef Igor Schuwalow. Das Turnier werde Russland verändern, meint auch der deutsche Profi in Diensten von Dynamo Moskau, Kevin Kuranyi. „Viele Besucher aus der ganzen Welt werden kommen - und erleben, dass Russland ein bemerkenswertes Land ist“, sagte der 28 Jahre alte Ex-Schalker der Nachrichtenagentur dpa.
Sportlich muss sich das größte Land der Erde mit den internationalen Erfolgen der Vereinsmannschaften Zenit St. Petersburg und Rubin Kasan sowie den Moskauer Teams ZSKA und Spartak nicht verstecken. Dennoch sehen Experten noch große Probleme: Die Strukturen im russischen Fußball gelten als undurchsichtig, hatte auch Nationaltrainer Dick Advocaat immer wieder beklagt. Aber unmittelbar nach dem Sieg von Zürich wollte daran niemand denken.