Tauben und Tore statt Terror: Fußball trotzt der Angst

Madrid (dpa) - Friedenstauben, vielerorts die Marseillaise, zahlreiche emotionsgeladene Gedenkaktionen und unterhaltsame Spiele mit tollen Toren: Gut eine Woche nach den Anschlägen von Paris hat der Fußball in Europa am Wochenende der Angst getrotzt und ein kleines Stück Normalität zurückerobert.

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Es gab aber auch drastische Sicherheitsmaßnahmen und Spielabsagen in Belgien. Besonders schwer fiel die Rückkehr in den sportlichen Alltag aber natürlich den Franzosen und allen voran den Profis von Paris Saint-Germain.

Vor dem 2:1-Sieg des Ligue-1-Meisters und Tabellenführers beim FC Lorient waren vor den 18 000 Zuschauern im Stade du Moustoir elf Friedenstauben in die Luft geschickt worden. 7500 französische Fahnen wurden auf den Rängen geschwenkt. Zu Ehren der 130 Todesopfer der Attentate wurde eine Schweigeminute abgehalten.

Der achte Sieg des Teams von Superstar Zlatan Ibrahimovic in Serie konnte die Erinnerungen an die tragischen Stunden nicht verdrängen. „Es war seltsam und auch sehr schwer, heute zu spielen“, räumte der niederländische Nationalspieler Gregory Van der Wiel ein. Trainer Laurent Blanc meinte: „Wir hätten heute gern etwas anderes gemacht. Wir haben den Kopf noch nicht beim Fußball. Ich will jetzt so schnell wie möglich zurück zu meinen Lieben.“ Die Zeit werde aber die Wunden heilen, hofft der Weltmeister von 1998.

Bei den Terroranschlägen wurden auch zwei Restaurant-Betreiber ermordet, die mit PSG-Profis um den deutschen Torwart Kevin Trapp eng befreundet waren, unter anderen mit dem Argentinier Javier Pastore und dem italienischen Ersatzkeeper Salvatore Sirigu. Pastore spielte in Lorient nicht. Er sei angeschlagen, versicherte Blanc.

„Le Parisien“ hatte es schon im Vorbericht zum Spiel getitelt: „Die Beine in Lorient, die Herzen in Paris“. In Lorient wie auch bei allen anderen Begegnungen der Ligue 1 und auch der 2. Liga wurde die Marseillaise aus voller Brust und oft mit einigen Tränen in den Augen intoniert. Es gab überall Schweigeminuten, alle Kicker traten mit Trauerflor an. „Wir sind nun alle ein bisschen französisch“, meinte der brasilianische PSG-Verteidiger Thiago Silva.

Auch bei Spielen in Spanien, Großbritannien und Italien wurden unter anderem die Marseillaise gespielt und die französische Flagge gezeigt. Als die Nationalhymne der Grande Nation vor dem Clásico zwischen Real und Barcelona ertönte, konnten auch im Bernabéu viele Fans die Tränen nicht unterdrücken.

Alle Partien in Frankreich fanden aus Sicherheitsgründen ohne Gästefans statt. Das Innenministerium hatte ein entsprechendes Reiseverbot erlassen. Verschärfte Sicherheitsmaßnahmen und Einlasskontrollen wurden unterdessen praktisch in allen Stadien des Kontinents veranlasst, auch in Deutschland.

Beim Madrider Derby waren mehr als 2500 Polizisten und Mitarbeiter privater Sicherheitsdienste im Einsatz - doppelt so viele wie bei früheren Clásicos. Sie bildeten drei Ringe um das Stadiongelände. Bei keiner Sportveranstaltung waren in Spanien zuvor derartige Sicherheitsvorkehrungen angeordnet worden. „Wir werden auch die Butterbrote genau kontrollieren“, hatte Präfektin Concepción Dancausa angekündigt - und so kam es dann auch.

Medienkommentatoren waren sich überall einig: „Richtige Normalität wird nach Paris wohl lange nicht herrschen“, sagte ein TV-Reporter in Spanien. Erst recht nicht in Belgien. Nach der Absage des Länderspiels des heimischen Nationalteams gegen Spanien vor einigen Tagen fanden auch am Wochenende in und um Brüssel nach einer Entscheidung des Provinzkomitees Brabant vorsorglich keine Spiele statt. Aber auch das Erstliga-Topspiel zwischen dem KSC Lokeren und dem RSC Anderlecht wurde abgesagt. Die Sicherheit könne nicht garantiert werden, teilte der gastgebende Verein - dessen Stadion rund 60 Kilometer von Brüssel entfernt liegt - mit.