„Three Lions“ stecken fest: Englands neue Mittelmäßigkeit
London (dpa) - Roy Hodgsons Trainerzeit in England ist bislang vor allem von einem geprägt: Mittelmäßigkeit. Parade-Beispiel dafür war das 1:1 (1:0) in Montenegro. Einer tollen ersten Halbzeit folgte eine katastrophale zweite Spielhälfte.
Der Trainer-Diplomat Hodgson fand das aber gar nicht dramatisch und sprach von einem „nicht explizit schlimmen Ergebnis“. Denn: „Es liegt immer noch in unseren Händen.“
Das ist zwar nicht falsch. Schließlich leisten sich die „Three Lions“ keine Blamagen und sind in ihrer WM-Qualifikationsgruppe H noch unbesiegt. Aber nach drei Unentschieden ist die Lage als Gruppenzweiter hinter den frechen Montenegrinern heikel - anders gesagt: die Mittelmäßigkeit unter Hodgson ist gefährlich.
Englands Presse sparte sich ihren üblichen Spott und litt eher mit. „Verdammt!“, fluchte die „Sun“. Der „Daily Mirror“ warnte: „Noch irgendein Fehler - und wir könnten in der Play-off-Lotterie landen.“ Der „Times“-Reporter diagnostizierte die alte englische Fußball-Krankheit, unter Druck Angst zu bekommen. Er konnte die zweite Hälfte kaum mitansehen: „Es war, als würde man einen alten Film zum x-ten Mal gucken und sich dabei zu überzeugen versuchen, dass es dieses Mal anders ausgeht.“
Der „Independent“ kritisierte indirekt allerdings den oftmals glanzlosen Hodgson, indem er sogar wehmütig an den ungeliebten Ex-Coach Capello erinnerte: „Eine Spielergeneration, die von Fabio Capello zu den letzten zwei Turnieren geführt wurde, verliert ihre alten Kräfte, mit dem Druck umzugehen, wenn es zählt.“ Capello verlieh Englands Löwen eine arrogante, bissige Aura. Nun wirken sie geradezu handzahm und von der Angst befallen, zu versagen.
Dabei hatten sie so furios losgelegt im Hexenkessel von Podgorica: In der sechsten Minute ließ Superstar Wayne Rooney 12 000 Zuschauer mit dem 1:0 verstummen. Ein Top-Team hätte nachgelegt, der Weltmeister von 1966 verlor aber den Faden und war am Ende mit dem 1:1 durch Dejan Damjanovic (76.) gut bedient. Die stolzen Montenegriner feierten sich entsprechend: „Der Punkt ist Gold wert“, meinte Kapitän Mirko Vucinic. „Eine Sternennacht! Montenegro hat England zermalmt“ schrieb die Zeitung „Vijesti“ und prophezeite: „Der Heldenpunkt führt nach Brasilien.“
Hodgson hatte Ende November in Brasilien schon mal potenzielle Quartiere für den Weltranglisten-Vierten begutachtet und sogar mit dem WM-Titel geliebäugelt - etwas vorschnell? Kapitän Steven Gerrard mahnte nun extrem niedergeschlagen an: „Wir müssen jetzt alle unsere Spiele gewinnen. Wir brauchen definitiv die drei Punkte in der Ukraine und wir brauchen perfekte Resultate zu Hause.“ Noch dreimal tritt die Hodgson-Elf in Wembley an: gegen Moldawien, Montenegro und Polen.
Die Amtszeiten der Liverpool-Legende Gerrard als Löwen-Captain waren bisher nie von sportlichem Glück verfolgt. Er und Rooney sind derzeit die einzigen echten Weltklasse-Spieler im England-Dress. Um sie herum stehen im Team jede Menge Akteure, die in ihren Vereinen nur Teilzeitkräfte sind - wie die Manchester-United-Profis Danny Welbeck und Ashley Young oder Innenverteidiger Joleon Lescott von Manchester City. Mit der irren Kommerzialisierung der Premier League wurden die vielen teuren Ausländer auf die Insel geschwemmt und der eigene Nachwuchs sträflich vernachlässigt. Als Quittung ist diese englische Nationalelf wohl nicht mehr und nicht weniger als mittelmäßig.