Weltweit unter Beobachtung: Brasiliens Superstar Neymar
Brasilia (dpa) - Die Teenager kreischen so laut und schrill wie einst beim Anblick von Ronaldinho. Sobald Neymar irgendwo auftaucht, steigt der Lärmpegel rapide. In Brasilien gilt der 21-jährige Stürmer längst als Superstar.
Aber nicht nur dort: Elfeinhalb Millionen Facebook-Freunde und sechseinhalb Millionen Follower bei Twitter hat der künftige Profi des FC Barcelona. Er ist die Werbefigur von Nike - und die große Hoffnung der Seleção für die Heim-WM 2014. Beim Confederations Cup schaut ihm die Fachwelt ganz genau auf die Füße.
Neymar da Silva Santos Junior kann nun zeigen, ob er das Zeug dazu hat, im nächsten Jahr ganz groß rauszukommen. 2002 feierte Ronaldo den WM-Triumph in Japan und Südkorea und wurde Weltfußballer, 2006 in Deutschland scheiterte Ballzauberer Ronaldinho, 2010 in Südafrika Mittelfeldstratege Kaká als Leader des brasilianischen Teams. Für Pelé ist Neymar sein legitimer Nachfolger, doch ähnliches hatte der dreifache Weltmeister einst auch über Robinho gesagt, der ebenfalls dem FC Santos entstammte. Beim Auftakt der Mini-WM am Samstag gegen Japan werden Ronaldinho, Kaká und Robinho nicht mehr dabei sein.
„Neymar ist ein außergewöhnlicher Spieler. Der Confederations Cup ist die ideale Plattform um aufzublühen“, meinte FIFA-Präsident Joseph Blatter. „Er hat alles selbst in der Hand und muss nun der Welt zeigen, was er zu leisten imstande ist.“ Der Supertechniker hat in 256 Pflichtspielen 156 Tore erzielt, war 2011 und 2012 Südamerikas Fußballer des Jahres. Auf dem linken Flügel spielt er schon mal den Ball mit der Hacke über den Gegner und so hervorstechend wie seine Dribblings ist seine regelmäßig wechselnde Frisur, meist mit blondierten Spitzen. Kein Wunder, dass es den Jungstar sogar als Comic-Figur „Neymar Jr.“ gibt - von Starzeichner Mauricio de Sousa.
„Neymar ist ein Individualist, sein Spiel ist stark auf Einzelaktionen ausgerichtet“, sagte Giovane Elber über seinen Landsmann in einem „Kicker“-Interview. Der frühere Bundesliga-Torjäger ist skeptisch, ob das so hinhaut mit der Weltkarriere des hochgelobten Talents. „Man weiß einfach nicht wie gut er wirklich ist. Um Neymar wird ungeheurer Wirbel veranstaltet. Er ist überall präsent, im Radio, TV, Internet. Darunter leidet sein Fußball. Brasilien bräuchte ihn dringender auf dem Platz.“
Luis Felipe Scolari glaubt, „dass er schon eingesehen hat, dass er mehr abgeschirmt werden muss“. Nach dem 3:0-Testspielsieg gegen Frankreich musste der Nationaltrainer seinen Angreifer wortreich verteidigen, nachdem dieser am Sonntag in Porto Alegre bei der Confed-Cup-Generalprobe torlos und blass geblieben war. „Wenn wir zusammenstehen, haben wir eine gute Chance, diesen Titel zu gewinnen“, sagte Neymar. „Wir sind immer noch eine der dominierenden Kräfte im internationalen Fußball.“
Auf seinen schmalen Schultern trägt Neymar nicht nur die oft maßlosen Erwartungen der Fußball-Nation Brasilien, sondern neuerdings auch die Last, einer der teuersten Profis der Welt zu sein: Für 57 Millionen Euro verpflichtete ihn der FC Barcelona und stattete ihn mit einem Fünfjahresvertrag aus. Bei 7,5 Millionen soll sein Gehalt liegen, etwa das Doppelte verdient er nach Medienangaben bereits jedes Jahr durch Werbeverträge.
Entgegen der Branchen-Gepflogenheiten hatte Neymar seinen Wechsel selbst über die sozialen Netzwerke publik gemacht. 60 000 Fans waren vergangene Woche ins Camp-Nou-Stadion geströmt, um dem Wunderkind zuzujubeln. Neymar war klug beraten, bescheidene Worte zu wählen. „Ich glaube nicht, dass ich die Ablösesumme von 57 Millionen Euro wert bin“, sagte er. Und: „Es geht mir nicht darum, der beste Spieler der Welt zu sein. Der Beste ist Messi. Ich will ihn unterstützen, damit er weiterhin der beste Fußballer der Welt bleibt.“
Ob Neymar den entscheidenden Karrierekick bei den Katalanen bekommt und ob das wirklich passt mit Messi? „Mit zwei Kapitänen an Bord kann es nicht gutgehen“, prophezeit Barcelonas Ex-Trainer und -Star Johan Cruyff schon mal. Ein Jahr vor der WM ist der Wechsel des Toptalents nach Europa jedenfalls ein Wagnis - vielleicht aber auch ein Segen für Neymar.