IOC-Vize Bach und Zwanziger gegen EM-Boykott
Frankfurt/Main (dpa) - Kein Boykott und keine Spielverlegungen - der Sport sieht derzeit keine Veranlassung, an der Austragung der Fußball-EM in der Ukraine zu rütteln. „Boykotte haben sich in der Vergangenheit immer als ebenso sinn- wie erfolglos erwiesen.
Alle Verantwortlichen haben das inzwischen erkannt“, sagte IOC-Vizepräsident Thomas Bach dem Radiosender hr-INFO. Auch Theo Zwanziger, Mitglied im Exekutivkomitee der Europäischen Fußball-Union (UEFA), lehnte einen Boykott der EURO ab. „Eine Absage ist keine Alternative, damit haben wir in der Vergangenheit bei anderen Ereignissen überhaupt nichts erreicht. Das ist reiner Populismus“, sagte Zwanziger dem Sender.
Nach den Bombenanschlägen am vergangenen Freitag in Dnjepropetrowsk intensivierte sich noch einmal die Debatte, ob die EM in der Ukraine stattfinden sollte. Die ukrainische Regierung steht zudem wegen des umstrittenen Umgangs mit der inhaftierten früheren Ministerpräsidentin Julia Timoschenko massiv in der Kritik. In Polen, dem Co-Gastgeberland der EM, herrscht bisher Schweigen zu den Forderungen nach einem politischen Boykott der Spiele in der Ukraine. Polnische Sportfunktionäre und auch Politiker halten sich mit Reaktionen zurück.
Ein kurzfristiger Wechsel von Spielen nach Deutschland oder in andere Länder ist ohnehin nicht möglich. „Das bekäme man in so kurzer Zeit nicht hin“, stellte UEFA-Turnierdirektor Martin Kallen klar. Sollte die EM generell nicht durchführbar sein, „gäbe es nur eine Möglichkeit: Dann müsste man an eine Verschiebung des Turniers denken, in ein anderes Jahr“, sagte der Schweizer der „Süddeutschen Zeitung“.
Derzeit gebe es keinen Grund für Änderungen. „Wir beobachten die Situation ganz genau, jeden Tag. Wenn die Situation zu gefährlich wird, dann würde das nicht durchgeführt. Wir organisieren ein Fußball-Fest, und nichts anderes“, erklärte Kallen.
Das erste EM-Spiel auf ukrainischem Boden zwischen den Niederlanden und Dänemark wird am 9. Juni in Charkow angepfiffe - wo Timoschenko in Haft sitzt. Einen Tag zuvor bestreiten Polen und Griechenland das Eröffnungsspiel in Warschau.
Zwanziger und Bach sehen die EM sogar als Chance an, auf die politischen Missstände in der Ukraine hinzuweisen. „Wir treten ein für Rechtstaatlichkeit und Demokratie, dann müssen wir das überall tun, wo wir hingehen“, meinte Zwanziger. Die DFB-Auswahl habe die Verpflichtung, das in der Ukraine zu tun. Er ermunterte die Spieler, sich zu den Menschenrechtsverletzungen zu äußern. „Das erwarten wir von einem mündigen Staatsbürger, der Fußball spielt“, erklärte der ehemalige DFB-Präsident.
Zugleich forderte er die UEFA auf, Position zu beziehen. „Was ich mir wünschen würde, wäre ein klareres Bekenntnis der führenden Sportfunktionäre.“ Man dürfe sich nicht hinter der Politik verstecken, sondern müsse im Vorfeld alles dafür tun, „dass die, die dort Unrecht tun, sich nicht anschließend noch feiern lassen können.“
Ähnlich äußerte sich Bach: „Wir hätten nicht diese breite internationale Diskussion über die politischen und Menschenrechtsverhältnisse im Gastgeberland, wenn es nicht diese Europameisterschaft gäbe. Das ist die große Kommunikationsplattform, die der Sport bietet. Die zu nutzen ist richtig.“
Der Chef des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) und Vizepräsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) betonte, dass der Sport „politisch neutral“ sein müsse. Nur dann könne er dazu beitragen, „dass nicht Mauern gebaut, sondern Brücken errichtet würden. Ohne politische Neutralität würde der Sport zwischen den Fronten zerrieben werden.“