Kaffee und Erinnerungen: Istanbul tut Löw gut
Istanbul (dpa) - Hier ein Schwätzchen mit seinem Berater Harun Arslan, dort eine Talkrunde für das türkische Fernsehen: Joachim Löw fühlt sich wieder sichtlich wohl am Bosporus.
Vor 13 Jahren hatte der Türke Harun Arslan dem heutigen Bundestrainer einen Job als Chefcoach von Fenerbahce Istanbul vermittelt. „Ich habe dort ein unvergessliches Jahr erlebt“, sagte Löw im Hotel Interconti, unmittelbar am belebten Taksim-Platz im europäischen Teil der Millionenmetropole.
„Damals habe ich allerdings im asiatischen Teil der Stadt eine Wohnung gehabt. Das ist die schönere Seite, viel Grün, nicht so hektisch“, berichtete Löw, nachdem er zusammen mit seinem Berater in der „Englischen Bar“ einen türkischen Kaffee geschlürft hatte.
Die Kontakte in die Türkei seien zwar nicht mehr so intensiv, erzählte der Bundestrainer. Aber mit seinem ehemaligen Assistenten Aykut Kocaman, der jetzt wieder als Co-Trainer bei Fenerbahce arbeitet, hat sich Löw im Vorfeld des EM-Qualifikationsspieles der deutschen Nationalmannschaft gegen die Türkei getroffen. Löw lernte in Istanbul den „positive Fanatismus der Menschen“ kennen: „Die Fans begleiten ihren Club, dem sie im wahrsten Sinne des Wortes ihr Herz geschenkt haben, ein Leben lang in guten und in schlechten Zeiten.“
Für Löw sind die persönlich weniger guten Zeiten längst Geschichte. Als er 1998 den VfB Stuttgart verlassen musste, stand er ohne Anstellung da. Mit Fenerbahce kam er zurück ins Geschäft - jetzt steht der Freiburger in Istanbul vor dem 50. Sieg als Bundestrainer. „Die Statistik interessiert mich nicht“, sagte Löw vor der Partie im neuen Stadion von Galatasaray zwar. Doch dass ihn die Entwicklung im DFB-Team in den nun schon fünf Jahren unter seiner Regie stolz macht, zeigt auch sein Lächeln in Istanbul. Gegen die Türken muss der ehemalige Gastarbeiter in der Türkei gar nicht mehr unbedingt gewinnen, die Tickets für die EM 2012 sind schon gebucht.
Es wird Löws drittes großes Turnier als Chef. Nach dem zweiten Platz bei der EURO 2008 und Rang drei bei der WM 2010 will der Bundestrainer im kommenden Jahr in Polen und der Ukraine endlich den Titel. Seine persönliche Entwicklung als Trainer und Mensch wurde in der Türkei vielleicht mit am meisten geprägt. „Die Gastfreundschaft war überwältigend“, betonte Löw, der mit Adanaspor noch einen zweiten türkischen Club trainierte.
Löw gibt in diesen Tagen die Freundlichkeit zurück. Von den Journalisten verabschiedete er sich im Dolmabahce-Ballsaal auf Türkisch. Einem Fotografen, der schon zu seiner Fenerbahce-Zeit dabei war, gab er einen Schulter-Klapps. Mit dem Gemeinschaftsgefühl im Land, speziell in den Familien, habe er sich mit am meisten anfreunden können, sagte Löw. „Der Aufenthalt in Istanbul und die Reisen durchs Land waren für mich als Trainer und Mensch eine wertvolle Erfahrung, die ich nicht mehr missen möchte.“
Die riesige Fußball-Begeisterung am Bosporus spürte Löw täglich. „Überall, wo man hinkommt, werden alle Fachsimpeleien sofort mit größter Leidenschaft geführt“, erzählte der 51-Jährige. Istanbul sei dabei besonders intensiv: „Durch die Rivalität der drei Clubs Fenerbahce, Galatasaray und Besiktas ist die Stadt praktisch jeden Tag im Fußballfieber.“ Gegen Deutschland vereint es die Anhänger.