Kein Tore-Limit gegen Gibraltar - Löw: „neue Reize“ 2015
Nürnberg (dpa) - Im ungleichen Duell gegen Fußball-Zwerg Gibraltar setzt Joachim Löw seinen Weltmeistern kein Tore-Limit. Ein mögliches Rekordergebnis in der 106-jährigen deutschen Länderspielgeschichte hat für den Bundestrainer aber keine Priorität.
Wichtiger ist die Rückkehr zu einer dominanten und erfolgreichen Spielweise. „Wir sprechen nicht über einen Rekord, der mal gefallen ist, vor ich weiß nicht wie vielen Jahren. Wir wollen vor allem ein Spiel bieten, das eines Weltmeisters würdig ist, was Einstellung angeht und auch das Ergebnis“, sagte der Bundestrainer.
Löw nutzte die Pressekonferenz vor der Partie in der EM-Qualifikation gegen die Fußball-Nobodies von der Halbinsel auch für einen deutlichen verbalen Warnschuss an seine Titelhelden und alle potenziellen Nachrücker im DFB-Ensemble. Nach dem Titelrausch von Rio will der 54-Jährige „neue Reize“ setzen. Mario Götze und Co. müssen sich im kommenden Jahr dringend neuen Herausforderungen stellen - womöglich sogar mit einer modifizierten Spielphilosophie.
„Wir sind in dem einen oder anderen Spiel auf dem harten Boden der Realität gelandet, ganz klar“, erinnerte der Bundestrainer an die Oktober-Enttäuschungen in der Ausscheidungsrunde für die EM 2016 in Frankreich gegen Polen (0:2) und Irland (1:1). Diese waren aber nicht allein ausschlaggebend für Löws Grundsatz-Grübeleien.
Den Blick zu schärfen für die Zukunft ist für den Bundestrainer eine Voraussetzung für den angestrebten nächsten Titel-Coup 2016. „Wir haben viele junge Spieler, die sind heiß, die geben sich nicht mit einem Titel zufrieden. Die wollen nachlegen“, sagte Löw und nannte namentlich Götze und Jérôme Boateng, der im Frankenland sein 50. Länderspiel bestreitet.
„Wir müssen uns weiterentwickeln. Wir haben uns ernsthafte Gedanken gemacht. Es ist durchaus möglich, dass eine Anpassung stattfindet und auch eine Veränderung“, sagte Löw hinsichtlich der Spielphilosophie, ohne aber konkrete Schritte zu nennen. „Um auf dem Niveau zu bleiben, muss man Dinge verändern. Da werde ich schon das Eine oder Andere angehen“, betonte Löw, der zugab, dass die Ehrungen zu Wochenbeginn eine gewisse „Hektik“ im Weltmeister-Zirkel verursacht hätten.
Der Fokus soll wieder auf den Sport gerichtet werden. In einem Nebensatz nannte der DFB-Chefcoach eine taktische 3-5-2-Formation als mögliche Zukunftsoption, die beim ersten Versuch im November 2011 beim 3:3 in der Ukraine gründlich misslang. Dennoch könnte diese Taktik schon gegen das ohnehin chancenlose Gibraltar wieder getestet werden, denn Löw will extrem offensiv den Kontrahenten zu Fehlern zwingen. „Wir werden nicht mit allzu vielen defensiven Leuten auflaufen. Wir müssen sie so fordern, dass sie überfordert sind.“
Eine Einsatzgarantie in der Startelf bekam Lukas Podolski, mit dem Löw unmittelbar vor dem Abschlusstraining auf dem Platz ein Vier-Augen-Gespräch führte. Der Dauer-Reservist beim FC Arsenal muss sich gegen Gibraltar im DFB-Trikot dringend beweisen. „Ich habe mich mit Lukas unterhalten über seine Situation. Er wird sich Gedanken machen müssen, glaube ich. Für Lukas ist zwingend notwendig, dass er irgendwo regelmäßig spielt. Ich bin nach wie vor überzeugt vom Lukas. Aber für ihn ist ein sehr gute Physis und eine hohe Intensität im Spiel wichtig“, sagte Löw. Auch Sami Khedira soll von Anfang an spielen und nach seiner Muskelverletzung im Mittelfeld in einer offensiveren Ausrichtung wertvolle Spielpraxis sammeln.
Khedira soll auch am Dienstag in seiner Wahlheimat Spanien zum Einsatz kommen, kündigte Löw an. Sportlich hat das Duell mit dem Weltmeister-Vorgänger und Europameister unvergleichbar mehr Gewicht als das Warmlaufen gegen die wackeren Feuerwehrleute und Hafenarbeiter aus Gibraltar. „Ich habe beide Spiele im Kopf und muss sehen, wer in der Lage ist, beide Spiele zu machen“, sagte Löw. In der letzten Übungseinheit vor der Partie gegen Gibraltar waren alle 21 Akteure bei nasskaltem Novemberwetter dabei.
Läuft alles nach Plan, könnten Thomas Müller und Co. schon am Freitagabend vom ungewohnten und frustrierenden vierten Rang in der Gruppe D auf Rang zwei oder sogar eins springen. Dafür müssten aber mehr als ein halbes Dutzend Tore gegen die Amateure vom Südzipfel Europas her. Das DFB-Rekordresultat stammt aus dem Jahr 1912, als Russland bei Olympia in Stockholm 16:0 besiegt wurde. Löws bestes Resultat wurde in der EM-Qualifikation 2006 in San Marino beim 13:0 erzielt. „Wir werden das bis zur letzten Minute durchziehen“, versprach der Leverkusener Lars Bender eine rasante Torejagd.
Die voraussichtlichen Aufstellungen:
Deutschland: Neuer (Bayern München/28 Jahre/56 Länderspiele) - Höwedes (FC Schalke 04/26/30), Boateng (Bayern München/26/49), Durm (Borussia Dortmund/22/5) - Khedira (Real Madrid/27/51), Kroos (Real Madrid/24/55) - Bellarabi (Bayer Leverkusen/24/2), Götze (Bayern München/22/39), Podolski (FC Arsenal/29/120) - Müller (Bayern München/25/60), Kruse (Borussia Mönchengladbach/26/8)
Gibraltar: Robba (College Europa FC/22/3) - Wiseman (Preston North End FC/29/5), Roy Chipolina (Lincoln Red Imps FC/31/8), Santos (Manchester 62 FC/29/4), Joseph Chipolina (Lincoln Red Imps FC/26/8) - Ryan Casciaro (Lincoln Red Imps FC/30/8) - Bado (Lynx FC/29/2), Walker (Lincoln Red Imps FC/26/7), Guilling (Lynx FC/34/5) - Lee Casciaro (Lincoln Red Imps FC/33/3), Kyle Casciaro (Lincoln Red Imps FC/26/7)
Schiedsrichter: Tudor (Rumänien)