Schwere Vorwürfe gegen Vereinsführung: Das Schweigen des KFC Uerdingen
Die Jugendleiter des KFC Uerdingen belegen den Versuch der Zweckentfremdung von Spendengeldern. Der Vorstand reagiert nicht auf die schweren Vorwürfe.
Krefeld. Beim KFC knallt es. Die zurückgetretenen Coskun Güneser und Heiner Essingholt legen ihre Zurückhaltung ab und erheben im Gespräch mit der Westdeutschen Zeitung schwere Vorwürfe gegen die Vereinsführung. Beweisen unter anderem, dass der KFC Spendengelder der Wohnstätte für die Jugend für die Fußball GmbH nutzen wollte. Und sie machen deutlich, dass das Konto der Jugendabteilung, das jetzt aufgrund von angeblichen Fehlbeträgen mit 100.000 Euro von Vereinsboss Ponomarev aufgefüllt werden soll, ebenfalls von der Fußball GmbH verwaltet wird.
Dabei: Müsste man die Entwicklung des KFC Uerdingen in den vergangenen anderthalb Jahren beschreiben, man bräuchte Superlative. 18 Monate nach dem verpassten Aufstieg in die Regionalliga-West steht der KFC als Tabellenführer eben jener Liga vor, die jahrzehntelang das Maximum für den ehemaligen Pokalsieger zu sein schien. Jetzt sind die Ziele andere, größere. Dank der Investitionen von Vereinsboss Mikhail Ponomarev könnte die angestrebte Rückkehr in den Profifußball bereits in diesem Sommer Realität werden. Unter Trainer Michael Wiesinger haben sich die Blau-Roten in der starken Regionalliga-West vom Aufsteiger zum Aufstiegskandidaten entwickelt. Der KFC strahlt wieder.
Bis zur jüngsten Eskalation.
Zum Hintergrund: Coskun Güneser wird 2016 als ehrenamtlicher Jugendleiter installiert, soll zusammen mit Heiner Essingholt (Geschäftsführer Jugend) und den Trainern Gerd Gotsche und Siegfried Konietzko die Nachwuchsabteilungen des KFC wieder auf Vordermann bringen. Ein Erfolgsprojekt. „Der Verein hat heute in jeder Altersklasse wieder mindestens eine Mannschaft. Der KFC hat sich im Jugendbereich wieder einen Namen gemacht“, sagt Güneser.
Dann zerreißt das Tischtuch. In Kurzform: Essingholt und Güneser entlassen Konietzko, der Vorstand holt ihn ohne Rücksprache mit dem Leitungsduo zurück, das dann seinerseits zurücktritt. Letzte Woche Donnerstag. Die Langform erklärt Güneser so: „Der Verein hat gegen die Entscheidung der verantwortlichen Personen in der Jugendabteilung beschlossen, Siegfried Konietzko als C-Jugendtrainer weiter zu beschäftigen und sogar zum Jugendleiter zu machen. Aus unserer Sicht ist das eine fatale Fehlentscheidung, die darüber hinaus ohne unser Einverständnis getroffen wurde.“
Güneser bezichtigt Konietzko schwerer Verstöße. „Ich habe den Vorstand persönlich darüber informiert, dass sich mehrere Familien der C-Jugend bei mir darüber beschwert haben, Herr Konietzko hätte den Spielern in seiner Mannschaft die Ansage gemacht, dass bei ihm nur ohne Unterhose geduscht werde, egal ob Spieler dies wollten oder nicht. Daraufhin wurde er von mir abgemahnt. Außerdem hat er unbefugt Jugendspieler des KFC bei anderen Vereinen angeboten, Freigaben für Probetrainings erteilt und in weiteren Fällen nicht mit der Leitung des Nachwuchsbereichs kooperiert.“
Erst als Rot Weiss Essen infolge eines nicht genehmigten Spielerangebots sich noch mal mit dem KFC in Verbindung setzt (das Dokument liegt der WZ vor), bekommen die Verantwortlichen der Jugendabteilung Wind von der Sache. „Wir haben sofort gedroht zum Sportgericht zu gehen, bis die Kollegen aus Essen uns eine von Herrn Konietzko ausgefüllte Erlaubnis für ein Probetraining vorgelegt haben.“ Für die Verantwortlichen der Jugendabteilung, Essingholt und Güneser, sind die Verfehlungen zu groß. Sie entlassen Konietzko am 13. Februar.
Doch sechs Tage später ist Konietzko wieder als Trainer der C-Junioren im Amt. Eingesetzt nach Gesprächen mit GmbH-Geschäftsführer Nikolas Weinhart. Essingholt und Güneser legen ihre Ämter am Tag darauf nieder.
Beide fühlen sich darin bestätigt, dass der Vereinsführung „egal ist, was in der Jugend passiert“. „Kein Vorstandsmitglied hat sich je ein Spiel der Jugend angesehen, in die Finanzen hatten wir auch nie einen Einblick“, sagt Güneser. Alles sei von der Buchhaltung der GmbH erledigt worden, eine Jugendkasse im eigentlichen Sinne gebe es nicht mehr, sie sei Anfang 2016 mit sämtlichen Unterlagen verschwunden. „Wir sammeln bei den Heimspielen der 1. Mannschaft für die Jugend und verkaufen Kaffee und Kuchen. Über alle diese Sammelaktionen gibt es Belege, die von Zweiten geprüft wurden“, sagt Güneser.
Die Spenden würden auf ein Konto der Jugend fließen, das vom Verein verwaltet wird. Ein Jugendkassenwart wie in der Satzung für den Nachwuchs vorgesehen, sei aktuell nicht bestimmt. „Alles wird von der Geschäftsstelle des KFC aus geregelt“, wie Essingholt und Güneser berichten. „Dabei kam es immer wieder zu Problemen. Wenn wir Sachen für die Jugend bestellt haben, mussten diese meist aus der eigenen Tasche vorgestreckt werden. Bezahlt wurde vom Verein erst nach Wochen und mehreren Mahnungen der jeweiligen Unternehmen.“
Sauer und überrascht reagieren Essingholt und Güneser auf die Aussagen von Mikhail Ponomarev in der Dienstagsausgabe der Rheinischen Post, nach denen nach dem Abschied der beiden ehemaligen Verantwortlichen in der Nachwuchsabteilung dem Vorstand eine Etatlücke von 100.000 Euro aufgefallen sei, die mit Mitteln der GmbH geschlossen werden müsse. „Die Jugend hat sich finanziell nie selber verwaltet, alles ging über die Buchhaltung des Vereins, wir hatten nie einen Einblick aufs Jugendkonto und lassen uns nicht als die hinstellen, die hier Geld aus der Kasse genommen haben“, sagt Essingholt. Wofür in der Jugendabteilung kurzfristig 100 000 Euro aufgebracht werden müssen, erklärt der Verein in dem Bericht nicht. Der WZ liegt eine Budget-Kalkulation der Jugendabteilung mit jährlichen Kosten von 43 785 Euro vor, die sowohl die Gehälter der Trainerteams von der U17 bis zur U10 sowie Kosten für Fitness- und Torwarttrainer umfasst. Hinzu kommen Trikotsätze, Schiedsrichterkosten und Trainingsmaterialien.
In anderen Fällen gibt es vom Verein den Versuch, Spenden für die Jugendabteilung unter einem anderen Zweck an den Stammverein zu verteilen. Der WZ liegt ein Schreiben von Wohnstätte-Vorstandschef Thomas Siegert vor, in dem es heißt: „Bezug nehmend auf Ihr Schreiben vom 30. Januar 2018 widersprechen wir hiermit ausdrücklich einer Übertragung des zwischen unserem Unternehmen und dem KFC Uerdingen 05 e.V. bestehenden Kooperationsvertrags auf die KFC Uerdingen 05 Fußball GmbH. Insofern stellen wir zunächst klar, dass wir uns nicht für die 1. Mannschaft engagieren. Gemäß Paragraf 1 Absatz 2 des Kooperationsvertrags ist die vereinbarte Leistung vielmehr zur Förderung der Jugendabteilung des Vereins vorgesehen. Wir beabsichtigen nicht, diesen Zweck unserer Sponsoring-Leistung zu ändern.“
Aus dem Schreiben geht weiter hervor, dass der KFC versucht hat, durch „eine automatische Übertragung des Vertrages im Wege der Einzelrechtsnachfolge mittels einer unangemessen kurzen Widerspruchsfrist herbeiführen zu wollen“. Der Wohnstätte-Vorstandschef beschreibt die Vorgehensweise des KFC als „rechtlich fragwürdig“ und im geschäftlichen Umgang miteinander als „bedenklich“.
Als Güneser im Januar dieses Jahr von dem Schreiben erfährt, konfrontiert er die Vereinsführung nach eigenen Angaben mit den für ihn unerklärlichen Umständen. Eine Antwort habe er nie erhalten. „Kritische Fragen sind beim KFC nicht gerngesehen“, sagt Güneser. Eine angebahnte Kontaktaufnahme zum Verwaltungsrat kam dann doch nicht zustande, um die Probleme zwischen Jugendabteilung und Vereinsführung zu lösen. „Aber bis heute gab es keine Reaktion von Seiten der Vereinsführung. Als Dank für die Arbeit wird man von Vereinsverantwortlichen als Dreck bezeichnet und beschuldigt, Gelder veruntreut und Chaos verursacht zu haben. So viel Herzblut wir beide für den KFC besitzen, für uns gibt es kein Zurück zum KFC. Wir hoffen im Sinne der Familien, dass der Verein die ehrenamtliche Arbeit in der Jugendabteilung künftig mehr wertschätzt.“
Die WZ hat den KFC mit den Vorkommnissen und Anschuldigungen im Text mehrfach konfrontiert. Bis heute liegt unserer Zeitung keine Antwort vom Verein vor.