Löw mit Sorgen: Wenige „echte Kerle“ beim Neustart
Düsseldorf (dpa) -Das erste Training der WM-Sieger von Brasilien wurde zum umjubelten Schaulaufen. Final-Torschütze Mario Götze und seine Weltmeister-Kollegen durften vor 45 000 meist jungen Fans in Düsseldorf den WM-Rausch nochmals genießen.
Joachim Löw aber plagen schon wieder Alltagssorgen.
Ballvirtuose Mesut Özil fällt verletzt aus. Und die Champions Mats Hummels, Jérome Boateng und Sami Khedira fehlten am Montag ebenfalls in der fast vollen Esprit-Arena und dürften den Länderspiel-Neustart der deutschen Fußball-Nationalmannschaft verpassen.
Final-Kämpfer Bastian Schweinsteiger und WM-Überraschung Shkodran Mustafi sind nach den Strapazen des brasilianischen Sommers ohnehin noch nicht fit. „Es geht alles ein bisschen schnell“, äußerte Torwart Manuel Neuer und verwies auf die „besondere Konstellation“ beim Wiedersehen mit dem WM-Endspielgegner Argentinien, der am Mittwoch ebenfalls ohne Weltstar Lionel Messi antreten muss.
Özil lässt eine Knöchelverletzung bei seinem Arbeitgeber FC Arsenal in London behandeln. Für den Auftakt der neuen EM-Qualifikation gegen Schottland in Dortmund will Oliver Bierhoff den 25-Jährigen noch nicht ganz abschreiben. „Es wird daran gearbeitet, dass er am Sonntag spielen kann“, berichtete der Nationalmannschafts-Manager.
„Es wird nicht einfach für uns. Für Schottland ist es das Spiel des Jahres. Da wird uns alles abverlangt, wir müssen sofort in Fahrt kommen. Wir müssen schon gegen Argentinien ein gutes Spiel machen, um wieder voll da zu sein“, hob Neuer hervor. In der Nationalmannschaft ist nach dem Triumph von Rio personell viel passiert: In Philipp Lahm, Miroslav Klose und Per Mertesacker haben gleich drei Spieler aus dem „Hunderter-Club“ ihre Länderspiel-Laufbahn beendet. Die Hierarchie muss sich völlig neu herausbilden. „Es ist ein bisschen schwierig“, erklärte Torwart-Held Neuer.
Löw will nach dem Rücktritt von Lahm noch vor dem Argentinien-Spiel seinen neuen Kapitän benennen. Der bisherige „Vize“ Schweinsteiger, Neuer sowie Champions-League-Sieger Khedira gelten als die aussichtsreichsten Kandidaten. „Es ist gefordert, dass er eine große Persönlichkeit und ein Kommunikator ist“, sagte Bierhoff, früher selbst jahrelang DFB-Kapitän, zum Anforderungsprofil.
„Wir werden herausfinden, was das Beste für die Mannschaft ist. Es wird eine gute und vernünftige Lösung geben“, äußerte Kandidat Neuer, der die Rolle durchaus gerne übernehmen würde, „wenn es der Trainer mir zutraut“. Thomas Müller sei für die Neubesetzung des Amtes „auch noch zu nennen“, ergänzte der Bayern-Keeper. Gespräche habe es vor der Zusammenkunft des DFB-Teams noch nicht gegeben, verriet Neuer.
Am Dienstag will sich der Bundestrainer in seiner ersten offiziellen Erklärung zur Fußballnation auch über die Nachfolge seines bisherigen Assistenten Hansi Flick äußern, der inzwischen auf den Stuhl des DFB-Sportdirektors gerückt ist. „Wir werden in diesen Tagen den neuen Co-Trainer präsentieren“, verriet Torwartcoach Andreas Köpke am Montag beim öffentlichen Training. „Das ist die wichtigste Personalie für den Trainer, mit ihm arbeitet er ganz eng zusammen“, betonte Bierhoff. Fest steht jedoch, dass Löw diese Länderspielwoche noch ohne den neuen Co-Trainer an seiner Seite bestreiten wird.
Erst einmal dürfen die Spieler nochmals die besondere WM-Stimmung genießen. „Herzlich Dank“, rief ein strahlender Löw beim Kids-Day am Montagabend in der Düsseldorfer Esprit-Arena den meist jungen Fans zu: „Eure Unterstützung hat uns die ganze Zeit begleitet und motiviert.“ Von den 23 Weltmeistern von Brasilien waren 14 beim Start in die neue Saison dabei - dazu kamen die zurückgekehrten Marco Reus, Mario Gomez und Antonio Rüdiger.
Bei einem Foto-Shooting für spezielle Weltmeister-Autogrammkarten und einer internen WM-Ehrung sollen auch die Ex-Nationalspieler Lahm, Klose und Mertesacker nochmals dabei sein. „Nach diesem Erfolg ist es ein Traum, dass wir uns alle wiedersehen“, sagte Neuer. Bierhoff schwärmte über die vierte deutsche Weltmeister-Generation: „Wir haben gezeigt, dass wir nicht nur gute Fußballer haben, sondern echte gute Kerle. Einige sind in dem Turnier nochmal gereift.“
Der Blick muss aber zwangsläufig nach vorne gehen. „Ab Donnerstag gilt die volle Konzentration der EM-Qualifikation“, sagte Bierhoff. Die Entwicklung soll Richtung EM 2016 in Frankreich und WM 2018 in Russland weiter vorangetrieben werden. „Wir haben es geschafft, die Mannschaft nach jedem Turnier auf eine neue Ebene zu bringen. Das werden wir auch diesmal schaffen“, sagte der Manager optimistisch: „Im ersten Schritt sehe ich nicht, dass sich die Mannschaft in eine andere Richtung entwickeln wird. Alle sind heiß und wollen Erfolge.“
Die voraussichtliche Aufstellung:
Neuer - Großkreutz, Höwedes, Ginter, Durm - Kramer, Kroos - Müller, Reus, Schürrle - Götze