Löw: „Noch mehr zu einer Siegermannschaft entwickeln“
Berlin (dpa) - Nach den „Grenzerfahrungen“ im zurückliegenden EM-Jahr will Joachim Löw (52) mit dem deutschen Nationalteam 2013 Vorfreude auf die Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien entfachen.
Der Bundestrainer betont im Interview der Nachrichtenagentur dpa, dass sich seine begabten Akteure für den erhofften Titelgewinn 2014 „noch mehr zu einer Siegermannschaft entwickeln“ müssen.
Herr Löw, mit welchen Zielen gehen Sie ins neue Jahr?
Löw: „Das Jahr 2013 ist sicher ein Jahr der Konzentration. Wir wollen uns aber auch bereits einstimmen auf 2014. Im vergangenen Jahr gab es ja einige Grenzerfahrungen wie das EM-Aus gegen Italien oder das 4:4 gegen Schweden. Jetzt habe ich das Gefühl, dass sich die Situation gedreht hat. Wir wollen wieder angreifen.“
Seit dem verlorenen EM-Halbfinale müssen auch Sie mit öffentlichem Gegenwind leben. Wie wollen Sie 2013 Vertrauen zurückgewinnen?
Löw: „Ich denke, dass das Vertrauen in unsere Arbeit absolut vorhanden ist, auch wenn das eine oder andere Ergebnis nicht so positiv war. Wir haben in den vergangenen Jahren große Schritte gemacht. Wir vertrauen unserer Arbeit. Wir sind von Konzept, Vorgehensweise, Plänen und Zielen absolut überzeugt. Auch die Spieler sind diesen Weg mitgegangen und wollen diesen weiter mitgehen. Das ist das alles Entscheidende.“
War 2012 Ihr schwierigstes Jahr als Bundestrainer?
Löw: „Das habe ich nicht so empfunden. Wir sind auf Schwierigkeiten gestoßen. Ich kann die Kritik auch nachvollziehen und einordnen. Im EM-Halbfinale bin ich als Trainer verantwortlich, dass so etwas nicht passiert. Da ist klar, dass Dinge hinterfragt werden. Von der Kritik aber lasse ich mich nicht aus der Bahn werfen.“
Welche Erkenntnisse nehmen Sie mit ins neue Jahr?
Löw: „Es ist wichtig, dass die Lernkurve unserer jungen Mannschaft weiter nach oben geht, wobei die Entwicklung in den letzten Jahren rasant war und es in diesem Tempo und mit diesen großen Schritten gar nicht weitergehen kann. Unsere Fußball-Könner, um die wir beneidet werden, müssen sich noch mehr zu einer Siegermannschaft bei einem Turnier entwickeln. Das bleibt das Ziel. Wir haben die ein oder andere Grenzerfahrung gemacht gegen Italien und Schweden. Das hatte aber auch einen nachhaltigen Lerneffekt. Das war so, als ob ein Kind auf die heiße Herdplatte fasst und sich dabei die Finger verbrennt.“
Ihre letzte Vertragsverlängerung ging blitzschnell. Kann es 2013 eine ähnliche Überraschung geben?
Löw: „Vor Ende 2013 wird es keine Gespräche geben. Dazu gibt es auch keine Veranlassung. Erst einmal wollen wir uns für die WM in Brasilien qualifizieren. Dann wird man in Ruhe mit dem Verband überlegen, welche weiteren Schritte man einleitet. Jetzt darüber nachzudenken, was nach 2014 kommt, macht wenig Sinn.“
Wie helfen Ihnen die Erfolge der deutschen Club in Europa?
Löw: „Es ist positiv, dass alle unsere Mannschaften, die international angetreten sind, die Gruppenphase überstanden haben. Das hatten wir schon lange nicht mehr, gerade in der Champions League. Das war ja mein Wunsch schon in den vergangenen Jahren, dass wir mehr Mannschaften in der K.o.-Runde haben, nicht nur die Bayern. Weil es für die Spieler wichtig ist, Erfahrungen zu sammeln auf diesem hohen Niveau. Man kann sie sich auch nicht kaufen, man muss sie sich über mehrere Jahre erarbeiten. Jetzt haben wir die Situation: Alle sieben Vereine sind weiter. Das ist gut für uns.“
Was trauen Sie Borussia Dortmund in der Champions League zu?
Löw: „Die Dortmunder haben gegen Real Madrid, Ajax Amsterdam und Manchester City als Team sehr gut funktioniert. Das kann in der K.o.-Phase ein bisschen schwieriger werden. Da kann man Fehler nicht mehr so richtig korrigieren. Es gibt fünf, sechs Mannschaften, denen ich den Gewinn der Champions League zutraue, da ist Dortmund mit Sicherheit dabei.“
In der Bundesliga marschieren die Bayern einsam vorne weg. Ist die Meisterschaft schon entschieden?
Löw: „Die Bayern sind in diesem Jahr schon sehr dominant. Sie haben so einen Riesenvorsprung, dass die Bundesliga an Spannung schon fast ein bisschen verloren hat. Bei so einem Vorsprung kann ich mir nicht vorstellen, dass sie sich noch die Butter vom Brot nehmen lassen.“
Marco Reus war der Aufsteiger 2012. Wem trauen Sie in diesem Jahr eine ähnliche Entwicklung zu?
Löw: „Es gibt einige Spieler, die auch durch die Erfahrung der EM eine positive Entwicklung genommen haben: Mario Götze, Marco Reus, Mats Hummels. Von jungen Spielern wie Gündogan, den Benders oder Schmelzer erwarte ich mir ebenfalls noch einmal einen Schub, weil sie großes Potenzial haben. Selbst Mesut Özil oder Sami Khedira sind noch sehr jung, auch sie können noch besser werden.“
2013 gibt es wieder einige problematische Termine wie das Frankreich-Spiel im Februar oder die USA-Reise nach Saisonende. Wie viele Kompromisse mussten Sie eingehen?
Löw: „Keinen. Das sind genau die Vorstellungen, die ich hatte. Frankreich dient als Vorbereitung auf die Qualifikations-Spiele im März gegen Kasachstan. Jeder weiß, dass der Termin gegen Frankreich am Anfang der Rückrunde steht. Aber das ist auch ein Spiel, um vielleicht das ein oder andere noch einmal auszuprobieren.“
Die USA-Reise beginnt vor dem Champions-League- und Pokalfinale...
Löw: „Das war genauso geplant, trotz des Risikos, dass einige Spieler nicht dabei sein können. Oberste Priorität hat, dass wir nicht erst im Juni zur offiziellen Abstellungsperiode spielen. Wichtig ist, dass die Spieler ein paar Wochen Urlaub haben und dann eine lange, zusammenhängende Vorbereitung, um für ein hartes Turnier am Ende der Saison die richtige Basis zu schaffen.“
Welche Perspektiven sehen Sie für die Mannschaft?
Löw: „Ich sehe gute Perspektiven. Für uns wäre es das Allergrößte, wenn wir 2014 Weltmeister werden. Meine ganze Konzentration gilt dem Jahr 2013. Diese junge Mannschaft ist noch nicht am Zenit. Wir werden die Dinge so vorbereiten, dass wir 2014 absolut konkurrenzfähig sind. Eine Titelgarantie gibt es aber nicht.“