Monumentale Enttäuschung statt Krönungszeremonie

Rio de Janeiro (dpa) - Nie zuvor gab es einen so klaren Favoriten auf den Titel wie Brasilien 1950 bei der Fußball-Weltmeisterschaft im eigenen Land. Doch dann kam alles anders.

Das Turnier geriet für den Gastgeber zur Tragödie, wie sich der Zeitzeuge Marcos Azambuja erinnert, der als 14-Jähriger die WM und am 16. Juli 1950 auch das Entscheidungsspiel in Rios Maracanã-Stadion live verfolge. Damals waren 200 000 Menschen voller Siegesgewissheit zur Partie gegen Uruguay in den Fußballtempel gepilgert und dann Zeuge des Unfassbaren geworden. Brasilien verlor mit 1:2 gegen den kleinen Nachbarn und damit die WM, dabei hätte dem Gastgeber nach dem damaligen Modus schon ein Unentschieden zum Titelgewinn gereicht.

„Niemals wieder habe ich eine solch' profunde Stille erlebt, in keiner Kirche, auf keinem Friedhof, in keinem Hospital. Die Stille war absolut“, erinnert sich Azambuja, der damals mit seinem Großvater und seinem Bruder im Stadion war und später Botschafter Brasiliens in Buenos Aires und Paris wurde, „Was als Krönungszeremonie gedacht war, wurde eine monumentale Enttäuschung.“ Feiern durfte Uruguay, das sich zum zweiten Mal nach 1930 die Krone des Weltfußballs aufsetzte.

Den Zuschlag für die WM-Ausrichtung hatte Brasilien 1946 beim ersten Nachkriegs-Kongress der FIFA in Luxemburg erhalten. Neben dem Gastgeber waren die WM-Teilnehmer Jugoslawien, die Schweiz, Mexiko, Spanien, England, Chile, die USA, Schweden, Italien, Paraguay, Uruguay und Bolivien. Damals wie heute waren die Fristen beim Stadionbau ein großes Thema und Problem. Die Bauarbeiten für das Maracanã begannen am 2. August 1948 und waren auch fünf Wochen vor WM-Anpfiff noch nicht abgeschlossen. Selbst bei der Eröffnungspartie Brasilien-Mexiko (4:0) am 24. Juni glich die majestätische Rundarena mehr einer Baustelle als einem WM-Stadion.

Bei der ersten WM nach dem Krieg traten nur 13 Teams an, und die mussten sich eigentlich auch gar nicht richtig qualifizieren. Viele Länder wurden nachträglich eingeladen, einige lehnten ab, wie Indien, das nicht kam, weil seine Kicker nicht barfuß spielen durften. Schottland, Portugal und die Türkei wollten auch nicht, den Franzosen war die Entfernung zwischen den Spielorten zu groß. Deutschland war nach dem Krieg noch nicht wieder in der FIFA. Ein Drunter und Drüber.

Die WM-Orte und die nur 22 Partien konzentrierten sich damals auf den Süden und Südosten Brasiliens. Einziger Spielort im hohen Nordosten war Recife. Die Turniergruppen wurden erst am 22. Mai, einen Monat und zwei Tage vor WM-Start, im Außenministerium der damaligen Hauptstadt Rio de Janeiro ausgelost. Doch mussten die Gruppen wegen kurzfristiger Absagen nachträglich erneut geändert werden. Schließlich wurden zwei Gruppen mit vier, eine mit drei und eine mit zwei Teams gebildet. Eine der größten Überraschungen des Turniers war der 1:0-Sieg von Außenseiter USA gegen die Fußballmacht England.

Für die Brasilianer blieb nur der bittere Geschmack der Niederlage. Auch der spätere Jahrhundertfußballer Pelé erlebte den Turnierausgang als Neunjähriger als Trauma. „Bei der WM 1950 habe ich meinen Vater weinen gesehen, weil Brasilien verlor. Ich will nicht, dass meine Kinder mich bei dieser WM (2014) weinen sehen“, erzählte „König Pelé“ unzählige Male. Doch selbst wenn Brasilien die zweite Chance auf einen WM-Heimsieg verpassen sollte - der Sturz wäre diesmal wohl nicht so tief. Seit 1950 gewann das Land immerhin fünf WM-Titel und hält damit den Rekord. Nur Italien könnte da 2014 mit einem Turniersieg gleichziehen.