Alzheimer Müller leidet an Alzheimer - Schicksal bewegt Deutschland
München (dpa) - Im Strafraum war Gerd Müller nicht zu stoppen, die vielen Torrekorde stehen für die Ewigkeit - nun rührt sein Schicksal Fußball-Deutschland. Der Rekordstürmer leidet an Alzheimer und lebt inzwischen professionell betreut in einem Heim.
„Es ist tragisch und stimmt uns alle beim DFB sehr traurig, dass es unserem Weltmeister und Freund nicht gut geht“, sagte Verbandspräsident Wolfgang Niersbach am Mittwoch. Die niederschmetternde Diagnose war in der Branche vielen schon vor dieser Woche bekannt, als der FC Bayern die schwere Krankheit des Vereinsidols erstmals öffentlich machte.
„Es ist furchtbar“, wurde der frühere Bayern-Präsident Uli Hoeneß in einer Biografie anlässlich von Müllers bevorstehendem 70. Geburtstag am 3. November zitiert. Müllers einstiger Auswahl-Kollege Uwe Seeler sagte bei „Sport1“: „Das Ganze macht mich einfach nur traurig.“ Auch Namensvetter Thomas Müller äußerte sich bestürzt. „Die Krankheit von Gerd geht mir natürlich an die Nieren“, sagte er der „Bild“-Zeitung.
Mit seinen mehr als 600 Treffern hatte Gerd Müller den FC Bayern in den 70er-Jahren an die europäische Spitze geschossen und der Nationalelf den EM-Titel 1972 sowie den Heim-Triumph bei der Weltmeisterschaft 1974 beschert. Etliche der vielen Tor-Rekorde haben noch heute Bestand. „Gerd Müller war wahrscheinlich der allergrößte Stürmer, den wir in Deutschland hatten“, unterstrich Bundestrainer Joachim Löw vor dem EM-Qualifikationsspiel in Dublin. „Seine Torquote spricht für sich.“ Müller „war ein Stürmer, den wir so nie mehr sehen werden im heutigen Fußball“, prophezeite der Weltmeister-Coach.
Anders als einige seiner Teamkollegen von einst, allen voran die „Lichtgestalt“ Franz Beckenbauer, schaffte es Müller nach dem Ende der aktiven Karriere aber nicht, die Erfolge abseits des Feldes zu wiederholen. Private Schwierigkeiten und Alkoholprobleme in den 90ern setzten dem Publikumsliebling, dem „Bomber der Nation“, lange zu.
In der jüngeren Vergangenheit fing sich der gebürtige Schwabe dank der Hilfe seiner alten Weggefährten beim FC Bayern, war als Trainer an der Säbener Straße wieder in das Vereinsleben integriert. Doch dann kam die Diagnose Alzheimer.
„Es ist tragisch, wenn man sieht, dass sich solch ein wunderbarer Mensch nicht mehr selbstständig versorgen kann. Diese Krankheit ist das Schlimmste, was einem Menschen passieren kann“, wurde Jupp Heynckes im Jubiläumsbuch „Gerd Müller - Der Bomber der Nation.“ aus dem riva Verlag zitiert. Es erscheint am 12. Oktober, liegt der dpa aber bereits vor. Das Redaktionsnetzwerk Deutschland druckte am Mittwoch Auszüge davon. „Gerd Müller war nicht nur ein absoluter Ausnahme-Stürmer, er ist auch ein wunderbarer, immer bescheiden gebliebener Mensch“, berichtete Verbandschef Niersbach.
Der FC Bayern bittet die Öffentlichkeit darum, die Privatsphäre der Familie Müller zu respektieren - wegen des bevorstehenden Geburtstags und der häufigen Anfragen wurde die Erkrankung publik gemacht. Beim Rekordmeister wusste man länger von der Diagnose, seit gut einem Jahr arbeitete Müller nicht mehr als Assistent des Regionalliga-Teams.
Beim letzten Auftritt in der Öffentlichkeit im August 2013 lächelte er tapfer, als er auf dem Podium der Hamburger Fischauktionshalle einen Preis für sein Lebenswerk erhielt. Nach der Laudatio nahm er den Award entgegen, sagte aber nichts. Bei Beobachtern hinterließ das ein mulmiges Gefühl, einige ahnten da schon, dass Müller krank ist.
„Als ich Gerd letztens wieder einmal besucht habe, hat er mich erkannt, das habe ich gespürt“, sagte Hermann Gerland, einst noch mit Müller für die Bayern-Amateure zuständig. „Ich habe ihm dabei Grüße von seinen ehemaligen Spielern ausgerichtet, speziell von Thomas Müller, David Alaba und Bastian Schweinsteiger. Da kamen Gerd die Tränen. Er hat geweint.“
Bayern bezeichnete es stets als menschliche Selbstverständlichkeit, Müller zur Seite zu stehen. Unabhängig ihrer sportlichen Dominanz - oft als Arroganz gewertet - zeigen die Münchner immer wieder große Teilnahme an den Schicksalen ihrer Trainer, Betreuer oder Spieler, in der jüngeren Vergangenheit etwa bei Sebastian Deisler oder Breno.
Kein anderer Fußballer war für den FC Bayern aber so wichtig wie Gerd Müller, das sagt sogar „Kaiser“ Beckenbauer: „Was der FC Bayern heute darstellt, mit diesem Palast an der Säbener Straße... ohne Gerd Müller wären die Leute da immer noch in dieser Holzhütte von damals.“ Diesen Palast wird der Tore-König womöglich nie mehr betreten.