Nicht überrascht: Löw plant „alle Eventualitäten“ ein
Porto Cervo (dpa) - Gut gelaunt begrüßte Joachim Löw seine erste EM-Abordnung um Lukas Podolski und Per Mertesacker am Frankfurter Flughafen, dann trennten sich die Wege auch schon wieder. Der Bundestrainer reiste nach dem Treffpunkt des vorläufigen EM-Kaders weiter zum DFB-Pokalfinale nach Berlin.
Bei den elf Spielern sowie den mitreisenden Frauen und Kindern durfte währenddessen auf dem kurzen Charterflug nach Sardinien ein Hauch von Urlaubsfeeling aufkommen. Traumwetter und ein Luxushotel direkt am Meer erwartete den DFB-Tross, der am späten Nachmittag an der Costa Smeralda eintraf. Dort findet bis zum 18. Mai die erste Phase der Vorbereitung der deutschen Nationalmannschaft auf die Fußball-Europameisterschaft statt.
Missionschef Löw demonstrierte 28 Tage vor dem Turnierstart in Polen und der Ukraine einen gelassenen Umgang mit seinen immer neuen Problemen. Selbst für weitere Zwischenfälle sieht er sich gewappnet. „Ich bin auf alle Eventualitäten eingestellt“, betonte er zum Beginn einer langen Reise, die am 1. Juli in Kiew mit dem Titelgewinn enden soll. Auch die kurzfristigen Verspätungen von Mesut Özil und Sami Khedira, die erst am 20. Mai ins zweite Trainingslager nach Südfrankreich kommen können, haben Löws Optimismus nicht gebremst.
„Mich kann nichts mehr überraschen, wirklich nichts“, erklärte der DFB-Chefcoach mit einem Lächeln. Kreativität und Flexibilität sind vor seinem dritten großen Turnier als Bundestrainer gefordert wie nie zuvor. Die Ausgangsposition sei aber anders. „Wir haben eine bessere Basis als 2008 und 2010.“ Da scheiterte man kurz vor dem Titelgewinn jeweils an Spanien, das für Löw weiterhin der erste Anwärter auf die EM-Krone ist. Von einem „Alles-oder-nichts-Jahr“ für sein junges Team um die Anführer Philipp Lahm und Bastian Schweinsteiger will Löw nicht sprechen - „aber Titel strebt man immer an“.
Beim gemeinsamen Mittagessen vor dem Start des Charterfliegers nach Olbia konnte Löw nur elf seiner 27 EM-Kandidaten um sich scharen. Auch Mertesacker, der ursprünglich direkt aus London nach Italien fliegen wollte, war nach Frankfurt gekommen. Große Augen machten die beiden Neulinge Julian Draxler (18) und Marc-André ter Stegen (20), die erstmals zum Elitekreis zählen. „Ich habe mir natürlich ganz genau angeguckt, wer dabei ist - zum einen als Fußballfan, aber auch jetzt als Teil der Mannschaft“, sagte der Schalker Draxler stolz.
„Ich freue mich, hier dabei zu sein. Dafür lasse ich den Urlaub gerne sausen“, bemerkte der Gladbacher Torhüter ter Stegen. Auch wenn das Gros der Mannschaft noch fehlt, ist der Tatendrang bei allen Beteiligten groß. „Wir sind froh, dass es losgeht und das Vorgeplänkel vorbei ist“, erklärte Torwarttrainer Andreas Köpke.
Die 16 fehlenden Akteure - darunter bis auf Podolski fast alle Kandidaten für einen Platz in der EM-Startelf - bestreiten noch Spiele mit ihren Clubs. Der zentrale Bayern-Block mit acht Akteuren wird sogar erst in zwei Wochen zum Team stoßen. Erst dann kann Löw in Südfrankreich mit dem kompletten Kader, aus dem er bis zum 29. Mai noch einen Torwart und drei Feldspieler streichen muss, arbeiten. „Jeder Spieler muss bis zur letzten Stunde kämpfen“, sagte Löw und mahnte, dass sich niemand seines EM-Tickets sicher fühlen sollte.
Das längere Warten auf Özil und Khedira konnte Löw nicht abwenden. „Die Spieler haben mich angerufen, dass sie kurzfristig nach Kuwait fliegen sollen, da Real ein Freundschaftsspiel abgemacht hat“, berichtete Löw. Er nahm sogar noch einmal Kontakt mit Madrids Coach José Mourinho auf. „Er hat gesagt, er kann auf jeden Spieler verzichten bei einem Freundschaftsspiel“, berichtete Löw: „Aber das ist Sache des Vereins. Es ist ja noch keine Abstellpflicht.“ Die beginnt erst am 25. Mai, 14 Tage vor Turnierbeginn.
Löw übergab das EM-Kommando in Frankfurt zunächst seinem Assistenten Hansi Flick. „Das ist kein Problem, die ersten Trainingseinheiten werden ohne Probleme ablaufen“, bemerkte der Chef, der nach seinem Trip zum Pokalfinale zwischen Bayern München und Borussia Dortmund am Sonntag nach Italien reisen will. Dort soll hart gearbeitet, nach einer langen Bundesligasaison aber auch entspannt werden. Einige Nationalspieler wie Podolski oder der Stuttgarter Cacau haben das DFB-Angebot genutzt, ihre Frauen und Kinder mitzunehmen. Torwart Ron-Robert Zieler aus Hannover und der Leverkusener Lars Bender wurden von ihren Partnerinnen begleitet.
Das Fünf-Sterne-Hotel Romazzino wurde extra herausgeputzt. Sonne, Strand, Meer - nur das Feinste vom Feinen erwartet die deutschen Fußball-Promis. Podolski & Co. können eine Woche lang den Ausblick auf das Mittelmeer und die Inseln Mortorio, Soffi und Le Camere genießen.