Niersbachs EM-Knalleffekt für 2024
Nürnberg (dpa) - Erst kickte Wolfgang Niersbach noch gemeinsam mit Michel Platini und Franz Beckenbauer im Foyer der Nürnberger Messe mit Kindern. Dann sorgte der DFB-Präsident im Festsaal für einen echten Kracher: Deutschland soll 2024 als EM-Gastgeber wieder ein Sommermärchen erleben.
„Der DFB war 1988 letztmalig Gastgeber einer EURO. Wir rechnen uns gute Chancen aus, weil der DFB als Ausrichter großer Turniere in der Vergangenheit stets eine exzellente Visitenkarte bei FIFA und UEFA abgegeben hat“, sagte Niersbach.
Mit der öffentlichen Ankündigung einer EM-Kandidatur überraschte Niersbach zum Auftakt des DFB-Bundestages auch die versammelte Fußball-Prominenz und sorgte vor seiner anstehenden Wiederwahl im Präsidentenamt am Freitag für das eigentliche Highlight der großen Funktionärsversammlung. „18 Jahre nach der einzigartigen WM 2006 ist dann die Zeit reif für ein neues Sommermärchen in Deutschland“, sagte Niersbach. „Das ist klasse für den deutschen Fußball“, erklärte Bundestrainer Joachim Löw, der schon vorab von Niersbach informiert worden war. „Man hat ja 2006 gesehen, was so ein Turnier im eigenen Land auslösen kann“, betonte der DFB-Chefcoach.
An den im Saal anwesenden UEFA-Präsidenten Platini gerichtet ergänzte DFB-Chef Niersbach: „Das Turnier ist noch nicht offiziell ausgeschrieben, aber die UEFA soll das schon frühzeitig wissen, dass sie mit uns rechnen kann.“ Der UEFA-Chef reagierte freundlich schelmisch, aber auch seiner Rolle entsprechend: „Lieber Wolfgang, ich habe die Botschaft verstanden, aber Achtung, ich bin neutral.“ Dennoch ist Deutschland ein ganz starker Bewerber. Die UEFA braucht für ihr auf 24 Mannschaften und 51 Spiele aufgeblähtes Turnier große und finanzstarke Gastgeber. Und die guten Verbindungen von Niersbach zu seinem Freund Platini sind hinlänglich bekannt.
Niersbachs Ankündigung passt in sein Profil. Die Glitzerwelt des Profifußballs ist das Terrain des früheren Generalsekretärs. Profitieren würden von einer für den DFB erneut millionenträchtigen Großveranstaltung in elf Jahren aber wie bei Heim-WM 2006 und Frauen-WM 2011 auch der Amateurfußball, der satzungsgemäß an den zu erwartenden Einnahmen beteiligt wird. Dem Amateursport muss und will sich Niersbach in seinem ersten vollständigen Drei-Jahres-Turnus als DFB-Chef besonders widmen - und das muss er auch.
Das Image, ein Präsident des Profi-Fußballs und nicht der Amateur-Basis zu sein, verfolgt ihn seit seinem Amtsantritt im März 2012. Nun soll es abgelegt werden. Da passt es gut, dass beim Bundestag nicht nur die EM-Kandidatur verkündet, sondern eine 2,5 Millionen Euro teure Imagekampagne zur Stärkung des Ehrenamtes auf den Weg gebracht werden soll.
„Was meine Position angeht, bin ich sehr dankbar, dass mich der Ligaverband und die Regional- beziehungsweise Landesverbände für meine erste komplette Amtszeit vorschlagen“, sagte Niersbach vor der Eröffnung des Verbandstreffens. Wer genau hinhörte, konnte in diesem Satz eine starke Betonung auf dem „Und“ vernehmen.
Die Verlängerung von Joachim Löws Bundestrainer-Vertrag über die WM 2014 hinaus und die Besetzung des Sportdirektorenpostens mit Hansi Flick wurden medienwirksam kurz vor dem Bundestag vollzogen. Die Zustimmung zum Grundlagenvertrag mit dem Ligaverband bis 2017 ist in Nürnberg eine Formsache. All dies hat Niersbach professionell erledigt - all dies sind aber Belange des Profifußballs.
Nun sind auch Amateure und Nachwuchs an der Reihe. „Wir müssen an der Basis für Jungen und Mädchen werben wie nie zuvor. Wir haben beispielsweise bei den zehn- bis 14-Jährigen 4000 Mannschaften weniger als im Jahr zuvor“, erklärte Niersbach die millionenschwere Imagekampagne. Präsentiert wird in Nürnberg zudem eine neue Online-Vereinsberatung. Eine Vernachlässigung des Ehrenamts und sozialer Aktivitäten will Niersbach für seine erste verkürzte Präsidentenperiode nicht gelten lassen. „Wer behauptet das denn? Alle Projekte sind weitergeführt worden, nichts ist liegen geblieben“, betonte er.
Das nächste Großprojekt steht nun schon in den Terminkalendern, wenn auch erst in einigen Jahren. Über eine deutsche Kandidatur um die überübernächste EM wurde schon eine Weile spekuliert. Dass Niersbach bereits jetzt den Hut öffentlich in den Ring wirft, ist dennoch überraschend. Bislang können noch nicht einmal Bewerbungen in der UEFA-Zentrale am Genfer See eingereicht werden. Dennoch fand die Offensive Niersbachs sofort Anklang. „Es ist Zeugnis eines selbstbewussten Verbandes und reflektiert die Wertschätzung, die der Verband auch international bekommt“, sagte IOC-Präsident Bach.
Eine EM-Endrunde hatte bislang nur 1988 in Deutschland stattgefunden. Für die EM 2020 ändert sich an den DFB-Plänen offiziell nichts. München wird als Bewerberstadt ins Rennen der Pan-Europa-EM mit 13 Gastgebern geschickt. Ob in sieben Jahren drei Vorrundenspiele und ein K.o.-Match in der bayerischen Landeshauptstadt stattfinden sollen oder beide Halbfinals und das Endspiel, entscheidet die UEFA im September 2014. Durch die Ankündigung Niersbachs scheidet der DFB aber praktisch für die Finaloption 2020 aus.