Krisen und Skandale Keller ein Kandidat im Konsens - Kehrt beim DFB jetzt Ruhe ein?

Frankfurt/Main · Der Freiburger Fritz Keller soll den DFB nach Krisen und Skandalen wieder auf Kurs bringen. An seiner Wahl zum Verbandschef am Freitag gibt es keine Zweifel. Die Erwartungen an den Spitzenwinzer sind groß, die Lasten der Vergangenheit aber auch.

Foto: dpa/Patrick Seeger

Fritz Keller ist der einzige Kandidat für den seit April vakanten Posten als DFB-Präsident. Einmütig wie selten zeigten sich die Amateur- und Profivertreter des deutschen Fußballs bei der Nominierung des Freiburgers im August. Nach seiner Wahl zum Verbandschef am Freitag in Frankfurt warten auf den 62 Jahre alten Top-Winzer große Aufgaben. In diesem Jahrtausend schied nur einer von fünf DFB-Präsidenten wie geplant aus dem Amt.

Wieso soll Fritz Keller neuer DFB-Chef werden?

Nach dem skandalumwitterten Rücktritt von Reinhard Grindel im April braucht der DFB eine Persönlichkeit, die den nächsten Neuanfang bei dem seit Jahren kriselnden Verband unvorbelastet gestalten kann. Keller erfüllt diese Vorgabe. Als Präsident des SC Freiburg kennt er das Fußball-Geschäft seit Jahren, ist aber in der Breisgauer Nische von den großen Konfliktherden wie dem Sommermärchen-Skandal unberührt geblieben. Der Tenor auf seine Nominierung war daher auch praktisch nur positiv. Von Uli Hoeneß bis Joachim Löw - alle finden Keller gut.

Wie lief die Kandidatenkür konkret?

Mit Hilfe einer Beratungsagentur entwickelte ein sechsköpfiges Spitzengremium von DFB und Deutscher Fußball Liga um Verbandsvize Rainer Koch und den damaligen Ligapräsidenten Reinhard Rauball zunächst ein Anforderungsprofil, das zu den erwarteten Strukturänderungen passt. Erst dann ging es auf die Kandidatensuche.

Angeblich war Keller bei allen sechs Komitee-Mitgliedern erste Wahl. Spekulationen um den künftigen Bayern-Chef Herbert Hainer oder frühere Fußball-Größen von Matthias Sammer bis Rudi Völler als Optionen wies Koch zurück. Keller präsentierte sich im August den Vertretern der Profi-Clubs und den Landes- und Regionalchefs des DFB. Auch hier gab es keinen Widerspruch.

War diese Suche überhaupt demokratisch?

Formal stimmte der Prozess. Es bleibt aber ein Geschmäckle, denn es war klar, dass nur der Vorschlag der Findungskommission eine Chance hat. Alternativkandidaten wie die Düsseldorfer Amateurvertreterin Ute Groth kamen an der großen Lobby nicht vorbei. Die Kritik klingt moralisch vernünftig, letztlich unterliegt sie aber doch dem Irrglauben, dass der große Fußball basisdemokratischen Regeln folgen würde. Längst gelten die Regeln der Wirtschaftswelt, in denen sich kein Unternehmen bei der Suche nach Führungskräften romantischen Ideen oder unkalkulierbaren Risiken unterwirft.

Wer wählt letztlich den DFB-Präsidenten?

Die Delegierten des DFB-Bundestages kommen am Freitag in Frankfurt zusammen. Stimmberechtigt sind neben den 44 Mitgliedern des Verbandsvorstandes und Ehrenpräsident Egidius Braun die Vertreter der 21 Landes- und fünf Regionalverbände des DFB. Die Verteilung der laut DFB-Homepage 140 Stimmen erfolgt nach der Größe der lokalen Einheiten. Die Vertreter der 36 Proficlubs haben 74 Stimmen, zwei pro Verein, wobei der FC Bayern München als deutscher Meister und der 1. FC Köln als Zweitliga-Primus der Vorsaison je eine Stimme extra bekommen.

Welche Probleme muss Keller als erstes anpacken?

Über allem steht eine Verbesserung der Außendarstellung. In den vergangenen Jahren stand der DFB für Streit, Skandal oder Mauschelei. Intern scheint der Konflikt zwischen Amateurvertretern und Proficlubs bei diametral unterschiedlichen Interessen kaum lösbar. Ihn sachlich zu moderieren, wäre schon ein Qualitätsnachweis. Auf lange Sicht soll Keller den Verband zu einer funktionierenden Dachorganisation machen - wirtschaftlich solide und moralisch integer.

Welche Befugnisse hat Keller?

Weniger als seine Vorgänger. Aber das kann gerade ein Vorteil sein. Die in den Statuten bislang geltende Richtlinienkompetenz entfällt. Gerhard Mayer-Vorfelder, Theo Zwanziger, Wolfgang Niersbach und besonders zuletzt Grindel scheiterten unter anderem auch, weil sie zu viele Tätigkeitsfelder zur Chefsache machten. In den neuen Strukturen hat Keller die Wahl, ob er Mitglied im Präsidialausschuss des Verbandes sein will oder als Aufsichtsratschef die ausgegliederte GmbH überwacht, in der alle wirtschaftlichen Aktivitäten ablaufen.

Zunächst versteht sich Keller, das hat er bereits angekündigt, als Führungskraft in den herkömmlichen Gremien. Perspektivisch will er aber die gesamte Führungsebene des Verbandes in eine Aufsichtsratsfunktion transformieren.

Was heißt das für die Nationalmannschaft?

Die explizite Verantwortung des Präsidenten für die Nationalmannschaft wird aus den Statuten gestrichen. Keller wird also nicht zum Chef von Bundestrainer Joachim Löw. Formal ist das künftig DFB-Direktor Oliver Bierhoff, der wiederum dem Präsidialausschuss untersteht. Vor allem Niersbach und zuletzt auch Grindel mischten sich ständig in Belange der A-Auswahl ein.

Welche Rolle spielt Keller international?

Der DFB-Präsident vertritt den Verband laut Statuten in internationalen Angelegenheiten. Doch in die Gremien von FIFA und UEFA strebt Keller nicht. Aus gutem Grund. Grindel verzettelte sich als Chefkritiker von FIFA-Boss Gianni Infantino durch seine Ämter-Vielzahl.

Kellers Stellvertreter Koch soll im März den vakanten Posten im UEFA-Exekutivkomitee einnehmen. Die Chancen darauf stehen gut, denn Deutschland sollte aus Sicht von UEFA-Chef Aleksander Ceferin als EM-Gastgeber 2024 dort vertreten sein.

Für einen Platz im FIFA-Council will Koch erst kandidieren, sobald dafür keine Kampfabstimmung gegen einen anderen Kandidaten nötig ist, die das ramponierte internationale Renommee des DFB noch mehr beschädigen könnte.

(dpa)