Sportarzt zur Brasilien-WM: „Trinken, trinken, trinken“
Berlin (dpa) - Höchstleistung in der Mittagssonne: Zweimal muss die deutsche Fußball-Nationalmannschaft während der WM-Vorrunde in Brasilien um 13.00 Uhr Ortszeit ran. „Das Motto muss lauten trinken, trinken, trinken“, sagte Sportmediziner Wilfried Kindermann der Nachrichtenagentur dpa.
Der 73-Jährige hat das deutsche Team bei je drei Welt- und Europameisterschaften betreut und erinnert sich noch gut an ein Spiel bei rund 50 Grad Celsius.
Wie wirkt sich große Hitze während eines 90-minütigen Fußballspiels auf die Spieler aus?
Kindermann: In Brasilien handelt es sich meist um feuchte Hitze, also hohe Temperaturen bei hoher Luftfeuchtigkeit. Diese Bedingungen sind für Sportler äußerst schwierig und beeinträchtigen die Leistungsfähigkeit stark. Normalerweise ist die Verdunstung des Schweißes der wichtigste Mechanismus, um Überhitzung zu vermeiden. Bei hoher Luftfeuchtigkeit ist die Luft weitgehend mit Wasserdampf gesättigt, so dass weniger Schweiß verdunsten kann. Er läuft quasi ungenutzt am Körper herab. Die normale Leistungsfähigkeit kann so nicht erreicht werden. Mannschaften, die mehr von der Laufbereitschaft leben, werden größere Nachteile haben als technisch versierte Teams.
Kann die Hitze sogar gefährlich werden?
Kindermann: Was eventuelle Gefahren betrifft, sind diese in erster Linie bei den Zuschauern zu erwarten. Ich erinnere mich noch gut an die WM 1994 in den USA, als Deutschland gegen Südkorea in Dallas bei etwa 50 Grad Celsius auf dem Platz spielte. Ich war damals Mannschaftsarzt. Unsere Mannschaft war in der zweiten Halbzeit platt, erholte sich aber danach sehr schnell.
Was kann man tun, um das zu verhindern? Sind Trinkpausen während des Spiels sinnvoll?
Kindermann: Das Motto muss lauten trinken, trinken, trinken. Kühle Getränke sind günstiger als lauwarme. Allerdings können dabei Bauchschmerzen auftreten, deshalb sollte das vorher geübt werden. Jede Spielunterbrechung sollte zum Trinken genutzt werden. Vom Veranstalter festgelegte Trinkpausen in beiden Halbzeiten wären empfehlenswert. Die Spieler sollten auch darauf hingewiesen werden, zwischen den Spielen immer ausreichend zu trinken, um mit vollem Tank ins Spiel zu gehen. Solange die Farbe des Urins hell ist, ist der Flüssigkeitshaushalt ausgeglichen, man hat also genug getrunken.
Was ist daneben noch hilfreich?
Kindermann: Durch äußere Maßnahmen kann die Körpertemperatur gesenkt werden, um den Anstieg während des Spiels zu mildern. Dazu eignet sich das Eintauchen eines Teils des Körpers in kaltes Wasser, wie es beispielsweise die deutsche Mannschaft bei der WM 2006 praktiziert hat, obwohl das von einigen Spielern als unangenehm empfunden wird. Andere Möglichkeiten sind Kühlwesten oder Eisabreibungen in der Halbzeit.
Kann die Mannschaft schon im Voraus auf die Hitze vorbereiten?
Kindermann: In einer Woche ist eine weitgehende Anpassung an die Hitze möglich. Eine ausschließlich passive Anpassung ist aber nicht ausreichend. Ein Teil des Trainings muss auch unter den entsprechenden Hitzebedingungen erfolgen. Das würde aber bedeuten, dass man diese Trainingseinheiten nicht wie gewohnt durchführen kann. Außerdem kann man sich an feuchte Hitze weniger gut anpassen als an trockene Hitze. Wahrscheinlich ist es deshalb für die einzelnen Teams wenig praktikabel, eine spezielle Hitzeanpassung durchzuführen.