Steuer-Affäre zieht Kreise - Kritik nimmt zu
Frankfurt/Main (dpa) - Der Steuerskandal um Schwarzgeldkonten im Ausland nimmt immer größere Ausmaße an und die Kritik aus der Bundesliga an Schärfe zu: Den deutschen Spitzen-Schiedsrichtern steht ein heißer Herbst bevor.
Nach einem Bericht des „Spiegel“ sind die Ermittlungen mit dem treffenden Namen „Abseits“ wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung auf rund 70 aktive und ehemalige Unparteiische ausgeweitet worden. Zu allem Übel weht den verunsichert wirkenden Referees ein heftiger Gegenwind aus der Liga entgegen.
In der Steuer-Affäre müsse „von einem System ausgegangen werden“, heißt es laut „Spiegel“ in einer Notiz der Fahnder. Die Ermittler überprüfen mittlerweile alle Referees, die in „den letzten zehn bis zwölf Jahren“ international im Einsatz waren. Teilweise gehe es um Summen von über 100 000 Euro, die von der FIFA und UEFA als Honorare auf Konten im Ausland überwiesen und steuerlich verschwiegen worden sein sollen.
Neben FIFA-Referee Felix Brych gehört auch ein namhafter Schiedsrichter-Assistent zum Personenkreis, gegen den ermittelt wird. Laut „Spiegel“ soll er ein Schwarzgeldkonto in Liechtenstein gehabt haben, das er den Steuerfahndern bei einer Hausdurchsuchung am 24. Oktober angeblich offenbarte.
Eine der Schlüsselfiguren in dem Skandal soll ein ehemaliger Schiedsrichter des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) sein. Der Mann sei inzwischen ein hochrangiger Funktionär des Bayerischen Fußball-Verbandes und Inhaber eines Steuerbüros. Mindestens sechs beschuldigte Schiedsrichter sollen von dieser Kanzlei vertreten werden. „Wir können den Vorgang erst dann bewerten, wenn konkrete Ergebnisse vorliegen“, sagte ein DFB-Sprecher zu den neuen Entwicklungen.
DFB-Vorstandsmitglied Heribert Bruchhagen erwartet eine baldige Reaktion vom Vorsitzenden der Schiedsrichter-Kommission. „Ich bin erstaunt, dass sich Herbert Fandel nicht breitmacht und sagt: Das sind meine Schiedsrichter und das weise ich brüsk zurück“, sagte Bruchhagen in der Fernsehtalk-Sendung „Sky90“. „Sollte es ein in Deutschland geborenes System sein, wäre das ein unangenehmes Thema für den deutschen Fußball“, erklärte der Vorstandschef von Eintracht Frankfurt. Gleichzeitig ist er im Zuge der geltenden Unschuldsvermutung dafür, die unter Verdacht stehenden Schiedsrichter weiter pfeifen zu lassen: „Unsere zehn bis zwölf internationalen Schiedsrichter kann man nicht ersetzen. So viel Qualität kann man gar nicht so schnell nachliefern.“
Unterdessen hat die Affäre anscheinend erste Auswirkungen auf die Bundesliga. Je mehr auf die Schiedsrichter öffentlich eingeprügelt wird, desto mehr sinkt offenbar die Toleranzgrenze bei Fehlentscheidungen.
Zu tumultartigen Szenen kam es nach dem Abpfiff der Partie in Mainz, wo Referee Guido Winkmann von den Stuttgartern nach einem falschen Elfmeterpfiff in scharfen Tönen für die 1:3-Niederlage verantwortlich gemacht wurde. „Wir haben von Beginn an gegen zwölf Mann gespielt“, schimpfte Trainer Bruno Labbadia. „Das war abenteuerlich“, kritisierte VfB-Sportdirektor Fredi Bobic.
Stuttgarts Abwehrspieler Maza sah auf dem Weg in die Kabine sogar Gelb-Rot, weil er Winkmann seinen Frust ins Gesicht geschrien hatte und ihm dabei „mit dem Kopf sehr nahe“ kam. „Das war teilweise respektlos. Wir sind im Fußball auf einem gefährlichen Weg“, reagierte Winkmann auf die Vorwürfe.
Bei Bobic stieß er damit jedoch auf taube Ohren. „Klar waren wir emotional, vielleicht auch mal zu viel. Aber das wurde zu einem großen Teil vom Schiedsrichter hervorgerufen. Wir alle müssen Kritik hinnehmen, dann erwarte ich das auch von den Schiedsrichtern.“
Auch andere Kollegen wurden am Wochenende zu Buhmännern. Der Hamburger SV fühlte sich beim 2:2 in Leverkusen wegen eines nicht gegebenen Treffers von Marcell Jansen um den Sieg gebracht. Hoffenheims Coach Holger Stanislawski attestierte Schiedsrichter Günter Perl beim 1:1 gegen Kaiserslautern eine „ganz schlechte Leistung. Er hat im gesamten Spiel keine einzige Aktion für uns gepfiffen.“
Noch härter ging Kölns Trainer Stale Solbakken nach der 2:3-Niederlage in Bremen mit Michael Weiner ins Gericht. „Ein Mann konnte in diesem intensives Spiel nicht mitlaufen: Das war der Schiedsrichter. Es war nicht in Ordnung, was er heute gemacht hat“, schimpfte der Norweger über den fragwürdigen Elfmeter zum 2:2 und Rot für Henrique Sereno. „Ich konnte ihm nicht die Hand geben, das wäre in einem Box-Fight geendet, aber nicht im Handshake“, sagte Solbakken.