Tasci will zur EM - deutsch-türkischer Verlierer?

Stuttgart (dpa) - Halbmond oder Bundesadler? Serdar Tasci - Schwabe mit türkischen Wurzeln - entschied sich einst für die DFB-Auswahl. Womöglich der falsche Schritt? Die Türken bräuchten dringend einen disziplinierten Abwehrspieler wie ihn, Bundestrainer Löw kann auf Tasci verzichten.

Serdar Tasci will das Spiel Türkei-Deutschland von seiner Wohnzimmercouch aus gucken, in Jogginghose und bei einer Apfelschorle. „Ganz gechillt“, wie er sagt. Ganz cool lässt ihn die EM-Qualifikationspartie aber nicht, allzu gern wäre der 14-fache deutsche Nationalspieler im Kader gewesen. „Mein persönliches Ziel ist es natürlich, bei der EM dabei zu sein“, sagt der beim VfB Stuttgart zuletzt wieder formstarke 24-Jährige. Doch die Konkurrenz in der Abwehr ist enorm. Und Tasci, der sich 2006 als einer der ersten Deutsch-Türken für die DFB-Auswahl entschied, gilt unter den Özils und Sahins nun als der Gelackmeierte.

Den „Verlierer dieser Entwicklung“ nennt ihn der Leiter des Europabüros des türkischen Fußballverbandes, Erdal Keser. Die traditionell offensivstarken Türken bräuchten dringend disziplinierte Abwehrspieler - womöglich hätte Tasci in der Türkei bereits 40 statt 14 Länderspiele. „Das könnte sein“, sagt er nachdenklich. Aber „nein“, bereut habe er diesen Schritt nie. „Es war keine einfache Entscheidung für mich, aber die wurde halt damals so getroffen und ich stehe dazu.“ Er will nicht, dass man Zweifel raushört. „Klar, der Konkurrenzkampf ist sehr groß: Es sind mehrere junge, talentierte Spieler nachgerückt. Aber da muss ich mich jetzt halt durchbeißen.“

Tascis gute Erziehung verbietet ihm forsche Forderungen, dafür rührt der VfB umso emsiger die Werbetrommel. „Serdar hat ligaweit das beste Aufbauspiel“, sagt Mitspieler Christian Gentner. Coach Bruno Labbadia lobt: „Wenn er so weiterspielt, hat er gute Chancen auf die EM. Er bringt viele Dinge mit, die auch Jogi Löw schätzt.“ Obwohl Löw den VfB-Profi vor ein paar Wochen noch anrief, scheint Tasci, der bei der WM in Südafrika nur zu einem Zwei-Minuten-Einsatz im Spiel um Platz drei gegen Uruguay kam, derzeit nicht mal unter Löws Top-Fünf in der Innenverteidigung. Der Bundestrainer hat eben die Qual der Wahl.

2008, als er Tasci gegen Belgien jung debütieren ließ, war das noch nicht so. Und das war im Nachhinein vielleicht auch Tascis Pech: Mit seinem ersten A-Länderspiel und glänzender Perspektive entschied sich der in Esslingen geborene Sohn eines Baggerfahrers und einer Lehrerin damals für den DFB - und gegen den türkischen Verband.

Auch, „weil die deutschen Verantwortlichen viel früher und intensiver dran waren als die Türken“, erinnert sich Tasci. Er spielte schon in der deutschen U-21-Auswahl. „Und irgendwann wurde ich vom Bundestrainer angerufen und zum Länderspiel eingeladen.“

Buhlt die Türkei heute stärker um die Talente aus Deutschland? Ja, sagt Tasci. „Guus Hiddink und seine Truppe sind viel professioneller - sie geben Vollgas, um die Spieler, die hier in Deutschland spielen, nicht zu verlieren.“ Und wäre Hiddink nicht auch reizvoll als Nationalcoach gewesen? „Er ist ein sehr guter Trainer. Ich habe zwar noch nie unter ihm gearbeitet, aber seine Erfolge sprechen für ihn.“

Aber die Sache sei abgehakt. Der Schwabe will nicht nur als Integrationsbotschafter, der er seit 2009 ist, weiter im Einsatz für den DFB sein. Als „Ex-Nationalspieler“ will er nicht gelten. Schon gar nicht als der „Verlierer“ beim Entscheidungspoker zwischen DFB- und türkischer Auswahl. Der Konkurrenzkampf soll Motivation sein. „Mein Ziel ist weiter, Stammspieler in der deutschen Elf zu werden.“