Weniger Polizei: Fans dafür, die Bundesliga nicht
Düsseldorf (dpa) - Weniger Polizei um die Fußball-Stadien finden Fans gut, die Bundesliga kann dagegen dem nordrhein-westfälischen Vorstoß nicht viel abgewinnen.
„Wir begrüßen dieses Projekt“, sagte Michael Gabriel, Leiter der Koordinierungsstelle der Fanprojekte in Deutschland (KOS) der Nachrichtenagentur dpa. „Wir haben immer gefordert, dass mehr Verantwortung auf die Fanszene übergeht, und ich bin mir auch sicher, dass die Fans dieser Verantwortung gerecht werden.“
Die Deutsche Fußball Liga (DFL) steht dem Erlass von NRW-Minister Ralf Jäger zur Reduzierung von Polizeikräften im Fußball weiterhin skeptisch gegenüber. „Andere Länder-Innenminister scheinen nicht zu folgen, sondern warnen: Es könnten am Ende diejenigen die Gewinner sein, die das Sicherheitsvakuum ausnutzen - nämlich die Gewalttäter“, sagte Ligapräsident Reinhard Rauball im Interview der „Bild“-Zeitung.
Schützenhilfe erhält der Liga-Boss von Bayer Leverkusen. „Die Polizeipräsenz war abschreckend. Jetzt hat man den Ultras eine Flanke geöffnet“, meinte Geschäftsführer Michael Schade. Jäger hatte bei der Ankündigung des auf zunächst vier Spieltage begrenzten Pilotprojekts angekündigt, bei absehbar friedlichen Partien die Polizeikräfte zu minimieren und die Polizeibegleitung von Fan-Bussen auf dem Weg vom Bahnhof zum Stadion einzustellen.
„Der Weg zum Stadion ist das Gefährliche, da ist ist das Risiko. Mit welchem Recht sollen wir Schwarze Sheriffs dafür einsetzen“, meinte Schade. „Für mich ist das grotesk. Man kann von uns nicht verlangen, rund um den Bahnhof für Sicherheit zu garantieren.“ Bayer investiere bereits jetzt pro Jahr zwei Millionen Euro in die Sicherheit.
„Wir lehnen das kategorisch ab. Der Staat hat das Gewaltmonopol. Es darf keine unterschiedliche Behandlung von Großveranstaltungen geben. Der Fußball darf nicht benachteiligt werden“, sagte Sportdirektor Jens Todt vom Zweitligisten Karlsruher SC. Auch der SC Freiburg positionierte sich eindeutig. „Wir sind voll auf DFL-Linie“, sagte ein Sprecher des Vereins. Laut Rauball zahlten die Clubs allein in der ersten Bundesliga 15 Millionen Euro für Ordnungsdienste in den Stadien.
Mehr Verständnis für die Jäger-Initiative zeigte Stephan Schippers, Geschäftsführer von Borussia Mönchengladbach. „Ich glaube aber, dass das Vorhaben, die problemlosen Spiele zu überdenken, ein Schritt in die richtige Richtung ist“, sagte er.
„Wir wissen aus Erfahrung: Eine zurückhaltende, auf Kommunikation ausgerichtete Polizeistrategie ist genau der richtige Weg“, meinte KOS-Leiter Gabriel. Das sei auch wissenschaftlich gestützt. „Eine solche flexiblere Strategie wird der Dynamik rund um einen Spieltag gerecht. Denn umgekehrt kann eine große Polizeipräsenz manchmal Entwicklungen auslösen, die eben nicht der Sicherheit dienen.“ Diese veränderte polizeiliche Einsatzstrategie in NRW gehe auch auf die vielen Gespräche zurück, die es im Netzwerk unter anderem mit Fanprojekten und -Organisationen gegeben habe.
Begrüßt wird das NRW-Projekt von Gunter A. Pilz. „Ich glaube, dass das genau der richtige Weg ist - vorausgesetzt, er wird begleitet von einer intensiven Bemühung um Dialog und Gespräche mit den Fans“, sagte der bekannte Fanforscher dem Onlinedienst „web.de“. „Also die Gleichung „Mehr Polizei ist gleich mehr Sicherheit“, die geht nicht auf. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass das sogar ins Gegenteil schlagen kann. Mehr Polizei heißt auch mehr Probleme.“
Die Fan-Organisation „Unsere Kurve“ hält weniger Polizei im Umfeld der Stadion für den richtigen Weg. „Wir wollen dem Ganzen eine Chance geben“, sagte Sprecher Daniel Nowara. Das Projekt stufte er als „ein bisschen mehr Freiheit“ für die Anhänger ein.
Ausgerechnet Bremens Innensenator Ulrich Mäurer hält den NRW-Vorstoß für falsch. „Wir wissen, dass das Risiko verletzter Beamten mit sinkendem Personaleinsatz steigt“, sagte der SPD-Politiker der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Allgemein begrüßte Mäurer die Unterstützung Jägers in der Polizeieinsatz-Debatte. „Die Debatte in Nordrhein-Westfalen zeigt, dass wir nicht alleine sind. Der Bremer Senat hatte mit der Ankündigung für Aufsehen gesorgt, die DFL an den Kosten für Polizeieinsätze bei Risikospielen beteiligen zu wollen.
Lob bekommt das NRW-Pilotprojekt von Rainer Wendt. „Das sollte Schule machen“, sagte der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft in der „Passauer Neue Presse“. Er begrüßt das Modell als „vernünftigen und mutigen Vorstoß, um die unglaublich hohe Zahl von Einsatzstunden der Polizei zu verringern“. Die Polizei werde sich nicht vom Schutz der Bevölkerung zurückziehen. „Die DFL sollte 50 Millionen Euro pro Saison für die Einsätze der Polizei bezahlen“, forderte Wendt. Die tatsächlichen Polizeikosten lägen weit über 150 Millionen Euro.