Belgiens Hoffnungsträger Anführer, Kritiker, großer Bruder: Hazard „auf dem Zenit“
Dedowsk/Moskau (dpa) - Eden Hazard kennt kein Pardon. Während in Deutschland fleißig diskutiert wird, ob die Kritik von Mats Hummels am deutschen Abwehrverhalten berechtigt oder deutlich zu harsch war, macht der Kapitän der belgischen Nationalmannschaft ganz andere Ansagen.
„Es ist nicht einfach, mit einem Mann weniger zu spielen. Ich habe ihm zur Halbzeit gesagt, dass wir ihn brauchen“, sagte der 27 Jahre alte Hazard nach dem 3:0 gegen Panama. Der Adressat seiner Kritik war kein geringerer als Romelu Lukaku, Belgiens Rekordtorjäger und Doppeltorschütze gegen den WM-Neuling. Hazards Botschaft lautet: Hier ruht sich keiner aus - egal, wie der Gegner heißt!
Belgiens Trainer Roberto Martínez verteidigte die deutlichen Worte seines Spielführers. „Mein Team kritisiert nicht, sondern tauscht Standpunkte aus“, sagte der Spanier vor dem zweiten Spiel der Belgier am Samstag (14.00 Uhr MESZ) in Moskau gegen Tunesien. Er sei froh, dass so konstruktiv gemeinsam gearbeitet werde. Diese Arbeit könnte die Roten Teufel schon am zweiten Spieltag vorzeitig ins Achtelfinale bringen.
Martínez, lange Jahre Trainer in England, hat mit seinem Amtsantritt im Sommer 2016 mit zwei Entscheidungen erst dafür gesorgt, dass der Flügelstürmer des FC Chelsea einen Sonderstatus genießt. Er entzog Abwehrchef Vincent Kompany die Kapitänsbinde und übergab sie Hazard. Martínez löste zudem auch Belgiens größtes Problem auf dem Spielfeld: Er trennte Kevin De Bruyne und Hazard im Zentrum. Der Ex-Wolfsburger spielte fortan in der Mitte und für seinen Geschmack oft zu defensiv, Hazard als Linksaußen immer in unmittelbarer Nähe zum Tor.
Die Entscheidung zahlte sich aus. Sechs Tore schoss der nur 1,73 Meter große Tempodribbler in der Qualifikation, er glänzte im offensiv brillanten Ensemble der Belgier. Trotz Torjäger Lukaku und Spielmacher De Bruyne gilt Hazard als der Star der Mannschaft. „Er ist auf dem Zenit seines Schaffens“, lobte Schlussmann und Mannschaftskollege Thibaut Courtois den Kapitän. Hazard ist ein Freund der flachen Hierarchie: Er spielt mit seinen Kollegen stundenlang Playstation und Karten und ist sehr beliebt.
Das hält ihn nicht davon ab, auf dem Feld klare Signale zu senden. Beim 4:1 gegen Costa Rica unmittelbar vor der WM schubste er Teamkollege Yannick Carrasco in der Nähe der Eckfahne zur Seite, obwohl dieser gerade einen Ball erlaufen hatte. Hazard spielte selbst weiter und legte einen Torschuss vor. „Wir sehen den besten Eden aller Zeiten“, sagte Toby Alderweireld. Der Chelsea-Profi will nun auch mit dem Fluch der großen Spiele brechen. 2014 bei der WM verlor Belgien im Viertelfinale 0:1 Argentinien, zwei Jahre später bei der EM 1:3 gegen Wales. Beide Male tauchte Hazard ab und mit ihm sein ganzes Team.
Im Trainingscamp in Dedowsk ist Hazard aber nicht nur Kapitän und Leistungsträger, sondern auch Bezugspunkt und Zimmerkollege für seinen jüngeren Bruder Thorgan Hazard, der beim Auftaktsieg als Joker sein WM-Debüt feierte. Der Gladbach-Profi sagte: „Ich bin glücklich hier - dazu habe ich meinen Bruder. Es ist perfekt für mich.“
Von Perfektion spricht der älteste von vier Hazard-Brüdern nur selten. „Ich bin zufrieden mit unserem Start, aber wir müssen noch viele Dinge besser machen“, sagte er nach dem klaren 3:0 gegen Panama. Und Torjäger Lukaku richtete der Captain aus: „Romelu hat sich vorne versteckt. Als er im Spiel war, hat er gleich zwei Tore geschossen. Ich hoffe, das hat er jetzt verstanden.“