Nigerias Abwehrchef Baloguns modernes Fußball-Märchen

Kaliningrad (dpa) - Leon Balogun erlebt 2018 den besten Sommer seines Fußballer-Lebens.

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„Ich hatte zwei große Träume für meine Karriere: Einmal bei einer WM dabei sein und irgendwann in die Premier League wechseln“, sagt der Fußball-Nationalspieler Nigerias der Deutschen Presse-Agentur: „Beide erfüllen sich in diesem Sommer.“

Dass der gebürtige Berliner irgendwann einmal einer der 736 WM-Akteure sein würde und in der wohl stärksten Liga der Welt spielt, wird für viele Weggefährten jedoch ein wenig unglaublich wirken. Positiv gesagt ist es nämlich ein modernes Fußball-Märchen.

Mit 19 spielte Balogun für Hertha Zehlendorf in der Verbandsliga Berlin. In Hannover und Bremen setzte er sich nicht durch. Mit 26 hatte er gerade einmal sechs Bundesliga-Spiele absolviert, war vier Monate vereinslos und kam beim Zweitligisten Darmstadt 98 unter. Dort empfahl er sich als Stammspieler und Aufstiegs-Garant für Mainz, wo er zwar nie uneingeschränkter Stammspieler war, aber immerhin 52 von 102 möglichen Bundesliga-Spielen absolvierte. Nun wechselt er zu Brighton & Hove Albion.

Doch sein WM-Traum hätte durchaus schon früher in Erfüllung gehen können. „2014 war ich schon ein Kandidat“, berichtet Balogun. Doch in seinem ersten Länderspiel für das Heimatland seines Vaters, dem er den zweiten Vornamen Aderemi verdankt, brach er sich den Mittelfuß. Dass es nun im zweiten Anlauf klappt, freut den Innenverteidiger umso mehr. „Ich genieße hier jede Sekunde“, erzählt er mit glänzenden Augen: „Ich habe auch das erste Spiel genossen, obwohl wir verloren haben. Und ich werde vor allem alles Weitere hier genießen.“

Für den deutschen Trainer Gernot Rohr ist Balogun eine wichtige Stütze. Er ist Stammspieler, Abwehrchef und Mitglied des Mannschaftsrats. Im letzten Qualifikationsspiel war er sogar Kapitän. „Leon ist einer meiner ganz wichtigen Spieler“, sagt Rohr: „Er ist schnell und bringt deutsche Mentalität mit.“

In Deutschland erfreuen sich derweil viele an seiner Erfolgsgeschichte. Vor dem 0:2 gegen Kroatien hatte sein Handy tagelang kaum stillgestanden. „Ich habe unzählige Nachrichten bekommen“, berichtet Balogun: „Von der Familie, von Freunden und von unzähligen Weggefährten von allen Stationen.“

Besonders viele kamen aus Mainz, und deshalb erfüllt ihn der Abschied aus Rheinhessen auch mit großer Wehmut. „Wegzugehen fällt mir sehr, sehr schwer“, sagt er: „Wir waren eine richtig große Familie. Trainer Sandro Schwarz hat mir hier in Russland alles Gute gewünscht, und als die Nachricht kam, dass ich angeschlagen bin, haben sich sofort die Vereinsärzte gemeldet und gefragt, ob sie etwas für mich tun können.“

Dem Lockruf der Premier League, „die glaube ich sehr gut zu mir passt“, konnte er aber nicht widerstehen: „Ich freue mich sehr auf das Abenteuer.“ Eine längere Vorbereitung im neuen Umfeld könnte sicher nicht schaden. Doch am liebsten würde Balogun noch seinen 30. Geburtstag am 28. Juni in Russland feiern. Das heißt, sich trotz der schwierigen Ausgangssituation mit Nigeria für die K.o.-Runde qualifizieren.

„Niemand hat gesagt, dass es einfach wird“, sagt Balogun vor dem zweiten Gruppenspiel gegen Island am Freitag (17.00 Uhr MESZ/ZDF): „Aber es ist auch nichts unmöglich.“ Spätestens seit diesen Tagen weiß das kaum jemand im Fußball-Geschäft besser als er.