Drogba wird zur tragischen Figur - Kritik in der Heimat
Brasilía (dpa) - Bei seinem Abschied aus Brasilía hatte es Didier Drogba plötzlich eilig. Der Star-Fußballer von der Elfenbeinküste sprang im Estadio Nacional de Brasilia über die Absperrung und wich nach einem kurzen Interview weiteren Fragen zu seiner ungewohnten Rolle als Ersatzspieler aus.
Selbst die FIFA-Offiziellen konnten den Ivorer bei seinem flotten Abgang nicht stoppen. Zuvor war Drogba nach der 1:2-Niederlage gegen Kolumbien mit freiem Oberkörper, gesenktem Haupt und einem gelben Trikot des Gegners in der Hand in die Kabine getrottet, während sich sein Coach schon wieder Vorwürfe gefallen lassen musste - vor allem: Warum saß der Star gegen Kolumbien anfangs schon wieder auf der Bank? Genervt antwortete Sabri Lamouchi: „Es ist doch erst das zweite Mal.“
Daheim hagelte es Kritik. „Drogba auf der Bank zu lassen war falsch, Sabri hat einen taktischen Fehler gemacht“, mäkelte die Zeitung „Notre Voie“. Und „Soir Info“ forderte: „Drogba sollte von Beginn an spielen, um den Fluch zub brechen.“ Alle Augen seien nun auf den Coach gerichtet, der beweisen müsse, dass er eine Mannschaft mit Stars coachen könne.
Drogba ist immer ein Thema in der Elfenbeinküste. Besonders jetzt, da die Ivorer das zweite WM-Spiel verloren haben und dadurch das dritte Vorrunden-Aus in Serie möglich ist. Dass Drogba alleine kein Heilsbringer ist, zeigte sich freilich gerade bei der Niederlage gegen die Südamerikaner, die schon im Achtelfinale stehen.
Kaum eingewechselt, ließ der Stürmerstar den Kolumbianer James Rodriguez (64. Minute) nahezu unbehelligt zur Führung einköpfen. Und nach den weiteren Treffern von Juan Quintero (70.) und Gervinho (73.) war es ausgerechnet Drogba, der die letzte Chance zum Ausgleich vergab. Er wurde so zur tragischen Figur.
„Wir haben gut gespielt, aber auch Fehler gemacht“, sagte Drogba später in seinem einzigen Interview. Zu seiner Rolle als Bankdrücker wollte er sich nicht detailliert äußern. „Dass ich von Anfang an nicht gespielt habe, ist meine persönliche Angelegenheit, das will ich mit niemandem teilen“, sagte der 36-Jährige.
Es zeigt die Größe des Spielers, dass er - im Gegensatz zu den ivorischen Journalisten - nicht herummäkelt und seine Rolle relativ klaglos akzeptiert. „Das ist eine Entscheidung des Trainers, wer spielt“, sagte der ehemalige Chelsea-Profi, der seine besten Jahre allerdings auch hinter sich hat.
Sein Trainer wirkt allmählich verzweifelt, weil er immer wieder ähnliche Fragen beantworten muss. „Die Leute lieben Didier Drogba, und es gibt viele Liebhaber seines Stils“, sagte er den nörgelnden Journalisten der Elfenbeinküste vor einigen Tagen: „Aber Sie müssen verstehen, dass er das letzte Mal 90 Minuten vor einigen Monaten in der Türkei gespielt hat.“
Der Spieler habe gerade erst eine Verletzung hinter sich. „Er hat viele Opfer gebracht, um überhaupt bei der WM zu sein“, sagte Lamouchi. Und wenn es schlecht läuft für die Elfenbeinküste, dann bestreitet der große alte Mann des ivorischen Fußballs am kommenden Dienstag gegen Griechenland sein Abschiedsspiel in der Nationalelf.