Emotionen trotz Technik: Verwirrung nach Frankreich-Tor

Porto Alegre (dpa) - Endlich Klarheit und doch wieder Verwirrung - auch nach dem ersten Techniktor der WM-Geschichte kochen die Emotionen hoch.

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Sieben auf das Tor gerichtete Kameras im Estadio Beira-Rio von Porto Alegre erleichterten Schiedsrichter Sandro Ricci zwar die Entscheidung, korrekterweise auf einen Treffer für Frankreich zu entscheiden. Debattiert wurde trotzdem wieder, als hätte es keine Torlinientechnologie gegeben. „Ich bin mir sicher, dass der Ball nicht drin war“, behauptete Honduras-Torwart Noel Valladares. „Ich habe gesehen, dass der Ball drin war“, versicherte Frankreichs Stürmer Karim Benzema.

Die Gretchenfrage des Fußballs wurde wie immer heftig diskutiert. Erschwerend kam hinzu, dass zwei Tor-Streitfälle binnen weniger Sekunden per Video-Einspielung zu klären waren - und die ganze Arena plus die TV-Zuschauer in aller Welt erstmal im Ungewissen ließen. „Für das zweite Tor von Frankreich trat eine besondere Situation ein, in der der Ball den Innenpfosten des Tores traf, dann ins Feld zurücksprang, bevor er den Torwart traf, zum Tor rollte und die Linie überquerte“, hieß es in einer ersten FIFA-Mitteilung.

Am Montag reagierte der Weltverband und kündigte ein neues Verfahren an. „Wir modifizieren die Richtlinien. Künftig wird man nur das Signal sehen, wenn der Ball im Tor ist“, sagte Medien-Chefin Delia Fischer. Bislang waren alle Vorfälle angezeigt werden, in denen sich der Ball innerhalb von 30 Zentimetern um die Torlinie befindet, egal ob drin oder nicht. So wurde auch das Bild gezeigt, als die Kugel nach Benzemas Schuss vom Pfosten abprallte. Erst danach wurde die tatsächliche Situation eingespielt, als der Ball von Valladares gen Tor ging und der Treffer korrekt angezeigt wurde.

Auch Frankreichs Trainer Didier Deschamps befand sich erstmal auf dem Holzweg und blickte fragend in die Runde. „Wir waren alle nervös, als wir die erste Einblendung gesehen haben, die auf kein Tor entschieden hat. Ich kann den Ärger des Honduras-Trainers wegen der geänderten Entscheidung verstehen“, sagte der Coach der Équipe tricolore. Dabei war überhaupt nichts geändert, sondern nur in zeitlicher Abfolge präsentiert worden. Erste Szene kein Tor, zweite Szene Tor. Die Technik hatte den WM-Ernstfall gemeistert.

Seinem Kollegen Luis Suarez war das Durcheinander jedoch auch zu viel. „Ich war nicht ärgerlich, dass der Schiedsrichter auf Tor entschieden hat. Ich war allerdings irritiert, dass die erste Entscheidung kein Tor sagte. Ich habe nicht verstanden, warum das System zuerst sagt, es war kein Tor und später auf Tor entscheidet.“

Die FIFA wollte noch Rücksprache mit der Firma Goal Control aus Würselen halten, die die zwölf WM-Stadien in Brasilien für mehrere Millionen Euro torlinientechniktauglich gemacht hat. Nun werden für die weiteren WM-Spiele nur noch die Szenen Spielern wie Publikum präsentiert werden, bei denen auf Tor entschieden worden ist.

Die Szene beim zweiten von drei Frankreich-Toren war ohnehin knapp genug. Bei zwei von drei Kameraeinstellungen hätte jeder mit bloßem Auge den Ball nicht im Tor gesehen. Eine weitere Perspektive ließ erahnen, dass der Ball mit vollem Umfang die Torlinie passiert haben könnte.

„Wir freuen uns, dass wir mit unserem System GoalControl-4D die Torentscheidung zuverlässig unterstützen konnten. Der Treffer wurde klar angezeigt. Ohne den Einsatz der Torlinientechnik wäre der Treffer wahrscheinlich nicht gegeben worden“, sagte GoalControl-Geschäftsführer Dirk Broichhausen der dpa. Ähnlich sah es auch der frühere Spitzen-Schiedsrichter Urs Meier im ZDF: „Niemand hätte dieses Tor gegeben.“

In der allgemeinen Aufregung ging unter, dass die neue Technik eine Fehlertoleranz von 1,5 Zentimetern erlaubt - die könnten aber angesichts der knappen Entscheidung unterschritten worden sein. Für das Ergebnis war es letztlich egal. Frankreich siegte mit 3:0. Benzema wollte sich dann auch nicht lange mit dem Thema aufhalten. „Ich weiß nicht, ob die Torlinientechnik gut ist. Im Fußball wird halt über strittige Szenen diskutiert“, sagte der Franzose.