Frankreich hofft auf Renaissance und Revanche
Brasília (dpa) - Nach dem 2:0-Triumph gegen Nigeria und dem Einzug ins Viertelfinale der Fußball-WM starteten Karim Benzema, Mathieu Valbuena & Co. die Umkleidekabine der Franzosen eine wilde Party.
Der wenig überzeugende Auftritt gegen die Afrikaner in Brasília war schnell abgehakt.
Der Blick wird nach vorne gerichtet. „Wir haben in der Kabine wild gefeiert, geschrien und gesungen. Paul (Pogba) hat sich ein Kriegslied ausgedacht, das wollen wir auch nach dem Spiel gegen Deutschland am Freitag singen“, verriet Stürmer Olivier Giroud.
Angesichts des Topduells gegen den Nachbarn in Rios legendärem Maracanã-Stadion packte auch François Hollande das WM-Fieber. „Bravo an Les Bleus (...) Es macht Spaß, dieser Mannschaft zuzuschauen“, twitterte der Staatschef begeistert. Für den Klassiker will Hollande sogar einen deutsch-französischen Freundschaftsabend im Pariser Elysée-Palast organisieren. Einige französische Medien hatten unterdessen weniger freundschaftliche Gedanken und forderten „Rache“ für die tragische Pleite im WM-Halbfinale 1982.
Am 8. Juli 1982 verlor die Équipe in Sevilla nach einer 3:1-Führung in der Verlängerung im Elfmeterschießen noch mit 8:7. Viele Franzosen haben zudem nicht vergessen, dass der damalige Nationaltorhüter Harald Schumacher den Franzosen Patrick Battiston beim Herauslaufen umrannte. Battiston verlor bei der Aktion Zähne und musste mit einer Gehirnerschütterung vom Platz getragen werden. „Sevilla 1982 schreit nach Rache!“, schrieb etwa das Portal „Foot01“.
Nationaltrainer Didier Deschamps nahm allerdings seinen rachelustigen Landsleuten am Dienstag schnell den Wind aus den Segeln. „Die meisten meiner Spieler waren damals gar nicht geboren, was soll ich ihnen erzählen? Ich war damals erst 14“, betonte der Coach. Er wolle bei der Vorbereitung auf das nächste Spiel die Begegnung von 1982 deshalb gar nicht erst erwähnen. „Wir stehen jetzt unter den letzten Acht“, sagte er. „Unsere Ziele verschieben sich natürlich, aber wir dürfen jetzt nicht durchdrehen.“
Dazu haben die Franzosen keinen Grund. Wenig überzeugend war der Auftritt der Tricolore gegen den Afrika-Meister. Lediglich der starke Pogba, der eingewechselte Antoine Griezmann und der dadurch eingeleitete Endspurt waren beim späten Erfolg gegen Nigeria beeindruckend. „Wir sind sehr stolz. Diesen Erfolg kann uns niemand mehr nehmen, aber wir wollen noch mehr“, sagte Karim Benzema.
Nach dem Abpfiff stürzten sich fast alle Spieler erleichtert auf Pogba und begruben den Torschützen des 1:0 unter sich. Ob er die deutsche Mannschaft fürchte, wurde der defensive Mittelfeldspieler hinterher gefragt: „Nein, ich habe keine Angst“, antwortete der Matchwinner mit ernstem Blick, der keine Zweifel zuließ. „Wir haben vor niemandem Angst.“
Der 21 Jahre alte Jungstar von Juventus Turin war aber auch selbstkritisch genug, die Schwachstellen zu erkennen. „Wir haben Selbstvertrauen, aber wir stehen uns manchmal selber im Wege“, erklärte der Youngster, der von vielen Topclubs Europas gejagt wird. „Wir sind zum Besten fähig, wir können aber auch die schlechteste Leistung abliefern.“ Gegen Nigeria kam das Beste zum Schluss. Nach dem Kopfballtreffer Pogbas in der 79. Minute sorgte das Eigentor von Nigerias Kapitän Joseph Yobo (90.+2) für die Schlusspointe.
„Das ist einer der größten Augenblicke meines Lebens, klar“, erzählte Pogba. „Für mein Land bei einer WM zu treffen und ins Viertelfinale einzuziehen.“ Sogar der mit Einzellob sparsame Deschamps lobte den Spieler des Tages und erinnerte daran, dass Pogba in Frankreich nicht nur geliebt wird. „Es ist normal, kritisiert zu werden, das gehört zum Leben. Manchmal ist es hart, manchmal ist es unfair - aber er ist wieder aufgestanden und er hat sein Potenzial gezeigt.“
In der Heimat wird der bisher erfolgreiche WM-Großauftrag schon als Renaissance des französischen Fußballs gewertet - gerade vor dem Hintergrund des kläglichen Vorrunden-K.o.s bei der WM 2010. „Der blaue Traum geht weiter“, kommentierte „Le Figaro“. Die Zeitung „Le Parisien“ schwärmte: „Les Bleues legen weiter ihre Spur Richtung Gipfel. Wir bewundern sie.“
In Rio de Janeiro kommt es zum vierten WM-Vergleich zwischen Deutschland und Frankreich. Nur das erste Duell 1958 in Schweden gewannen die Franzosen mit 6:3. Nach dem Wiedersehen im WM-Halbfinale 1982 gelang den Deutschen 1986 in Mexiko mit einem 2:0 erneut ein Halbfinal-Erfolg. Die Phantome von 1982 und 1986 kommen wieder zum Vorschein“, schrieb „La Dépêche“. Insgesamt hat Frankreich eine positive Bilanz gegen die deutsche Mannschaft. In 25 Spielen gab es elf Siege, sechs Unentschieden und acht Niederlagen.
Deschamps gab seinem Team nach dem Kraftakt gegen Nigeria erst einmal die Erlaubnis für eine kleine Party. Für die Vorbereitung auf die nächste Aufgabe sei noch ausreichend Zeit, ergänzte der ehemalige Welt- und Europameister. Torhüter Hugo Lloris legte sich bei der Analyse der deutschen Mannschaft dagegen jetzt schon fest. „Das ist zusammen gesehen vielleicht das beste Team, sie sind wie eine Maschine. Sie haben viele talentierte Spieler“, sagte Lloris.