2016 als Warnung Frankreichs „Terrier“ haben Schmerz nicht vergessen

St. Petersburg (dpa) - Den starken Nachbarn Belgien haben die Franzosen gestoppt. Doch das Finale reicht ihnen nicht. Nach dem frustrierenden Ende der Heim-EM vor zwei Jahren soll diesmal auch der Pokal her.

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Denn zweimal Vize wäre dann doch eben fast nichts.

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Sie feierten schon wie die Weltmeister - dabei sind sie sich selbst die beste Warnung. „Das wichtige Spiel kommt erst am Sonntag“, mahnte Frankreichs Nationaltrainer Didier Deschamps nach dem Einzug ins WM-Finale: „Die Schmerzen von vor zwei Jahren haben wir noch nicht vergessen. Deshalb müssen wir alles dafür tun, dass es diesmal anders ausgeht.“

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Unmittelbar nach dem 1:0 (0:0) gegen den kleinen Nachbarn Belgien war für Zweifel noch kein Platz gewesen. Starstürmer Antoine Griezmann weinte hemmungslos, Staatspräsident Emmanuel Macron riss beide Fäuste in die Luft, und auf den Champs-Élysées stieg eine große Jubelparty. Doch die böse Erinnerung an den verschenkten im EM-Titel im eigenen Land stoppte die Euphorie zumindest bei den Spielern und Deschamps, der mit einem Sieg im Endspiel in die Fußstapfen von Franz Beckenbauer treten kann, umgehend.

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„2016 darf sich nicht wiederholen“, mahnte Mittelfeld-Stratege Paul Pogba: „Damals haben wir eine große Chance liegen lassen. Diese müssen wir unbedingt nutzen.“ Und auch Sieg-Torschütze Samuel Umtiti (51.) meinte vorsichtig: „Ich bin kein Glücksbringer. Schließlich haben wir mit mir das EM-Finale verloren.“

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Dass das passieren würde, hatten sie 2016 nach dem 2:0-Halbfinal-Sieg gegen den bis Sonntag amtierenden Weltmeister Deutschland nicht für möglich gehalten. Als haushoher Favorit verlor die Équipe Tricolore dann aber das Heim-Endspiel gegen Portugal mit 0:1. Auch am Sonntag in Moskau gegen Kroatien werden die Franzosen zumindest leichter Favorit sein. Doch die Lektion aus 2016, das beteuern alle, haben sie gelernt. Am Sonntag wollen Les Bleus das Champ de Mars unter dem Eiffelturm zur Partyzone machen. Sicher mehrere Zehntausend Zuschauer werden das Spiel dort auf einer Großleinwand verfolgen.

„Ins WM-Finale einzuziehen, darf man mal genießen“, sagte Torhüter Hugo Lloris: „Aber man darf nicht anfangen zu träumen. Sondern muss weiter hart arbeiten, damit die Träume auch wahr werden.“ Doch Lloris fand sofort einen Unterschied zu 2016 und großen Mutmacher. „Damals haben wir am Mittwoch das Halbfinale gespielt und hatten weniger Zeit zum Erholen“, sagte er: „Diesmal haben wir Dienstag gespielt und können uns einen Tag länger erholen als unser Gegner.“

Ob das reicht, bleibt abzuwarten. Zwar stellen die Franzosen in Russland eine gute Mischung aus Technik, Taktik und Defensivkraft, Zauber-Fußball bieten sie aber nicht. Belgiens Torwart Thibaut Courtois echauffierte sich gar über „Anti-Fußball“ der Franzosen und lästerte: „Ich wäre lieber gegen Brasilien rausgeflogen. Die wollten wenigstens Fußball spielen.“ Umtiti war dagegen stolz auf die kämpferische Leistung: „Da standen elf Terrier auf dem Platz.“

Der glanzlose Sieg kann aber auch als taktische Meisterleistung von Deschamps gewertet werden. Dieser hatte die Belgier genauestens analysiert und ihrer Stärken beraubt. „Der Trainer verdient großen Respekt“, sagte Lloris: „Er hat uns schon gegen Argentinien und Uruguay den besten Plan mit auf den Weg gegeben.“

Und so kann Deschamps am Sonntag Geschichte schreiben. Beim bisher einzigen französischen Titel 1998 war er Kapitän. Als Spielführer und dann als Coach Weltmeister zu werden, das schaffte bisher nur Beckenbauer 1974 und 1990. „Ich will meinen Spielern nicht so viel von damals erzählen“, sagte Deschamps am Dienstag in St. Petersburg: „Sie kennen die Bilder, aber manche waren damals noch nicht einmal geboren. Ich will mit ihnen zusammen eine neue Geschichte schreiben.“

Stürmer Olivier Giroud war 1998 schon elf Jahre alt und erinnert sich genau „an den Kopf von Zizou (Zinedine Zidane, d. Red.) auf dem Triumphbogen“. Dort wurde auch am Dienstag schon ausgiebig gefeiert. Tausende Fans hupten, sangen die Nationalhymne, brannten Leuchtraketen ab. „Wir spüren, dass das ganze Land hinter uns steht“, sagte Kylian Mbappé, erst fünfeinhalb Monate nach dem 98er-Finale geboren, tief beeindruckt: „Das alles hier ist ein Lebenstraum.“

Der nicht wieder mit einem Trauma enden darf. „Ein Finale zu spielen, ist ein großes Erlebnis“, sagte Shootingstar Benjamin Pavard vom VfB Stuttgart, neben Corentin Tolisso vom FC Bayern einer von zwei Bundesliga-Spielern im französischen Kader: „Aber noch schöner ist es, es zu gewinnen. Wir wollen dafür sorgen, dass am Sonntag wieder auf den Champs-Élysées gefeiert wird.“

Und dann auch ganz ohne trübe Hintergedanken.