Konflikt zwischen FIFA und UEFA birgt Brisanz
Sao Paulo (dpa) - Für einen kurzen Moment hätte man meinen können, Joseph Blatter und Michel Platini seien immer noch gute Freunde. Bei der Zeremonie zur Eröffnung des FIFA-Kongresses schloss der FIFA-Boss den UEFA-Chef auf der Bühne in die Arme.
Doch das Bild, das den Hauch von Harmonie in Sao Paulo andeutete, war letztlich ein Trugschluss. Die Geste war nur Routine statt Herzensangelegenheit.
Mit der klaren Kritik an Blatter und der deutlichen Aufforderung zum Amtsende in elf Monaten hatten die von Platini angeführten Funktionäre Europas dem Patron des Weltfußballs zuvor schonungslos die Meinung gesagt. Eine fünfte Amtszeit Blatters kommt für sie nicht infrage - doch am Ende des Tages sprach der 78-Jährige dann doch aus, was sich zuletzt angedeutet hatte: „Meine Mission ist nicht beendet, das sage ich Ihnen. Ich bin bereit, Sie nach vorne zu bringen.“
Der Verbandschef der Niederlande, Michael van Praag, hatte zuvor als Europas Wortführer Blatter attackiert. „Die Menschen neigen dazu, Sie nicht besonders ernst zu nehmen. Die FIFA hat einen exekutiven Präsidenten. Sie sind verantwortlich“, sagte er. Korruption und Bestechung würde die Öffentlichkeit mit der FIFA verbinden, legte der Holländer nach. Auch UEFA-Ehrenpräsident Lennart Johansson sprach von einem nötigen Wechsel. „Ich habe schon sehr viel einstecken müssen in meinem Leben. Aber so etwas Respektloses habe ich noch nie erlebt, weder auf dem Fußballfeld noch im eigenen Hause“, konterte Blatter.
Der Riss zwischen Europa und dem großen Rest der Fußball-Welt scheint so riesig, dass er bis zur FIFA-Präsidentschaftswahl am 29. Mai 2015 - und womöglich darüber hinaus - nicht mehr zu kitten ist. Die fünf anderen Konföderationen hat Blatter weiter hinter sich und damit ziemlich sicher genug Stimmen, um im Amt bleiben zu können. Nur die von ihm viel beschworene Einheit der Fußball-Familie ist perdu.
In einem überschaubaren Keller-Konferenzraum des Renaissance-Hotels von Sao Paulo erlebte die FIFA eine ungewollte Zeitreise zurück zur Jahrtausendwende. 1998 und 2002 hatte Blatter heftige Wahlkämpfe gegen den damaligen UEFA-Chef Johansson und den von Europa unterstützten Afrika-Boss Issa Hayatou gewonnen.
Von einem FIFA-Frieden zur WM-Zeit konnte auch damals keine Rede sein. Als Lehre daraus wurden die Wahlkongresse extra um ein Jahr verlegt, um die unmittelbaren Turnier-Vorbereitungen nie mehr zu stören. „Der Kongress und die WM rückten durch den Wahlkampf in den Hintergrund. Die Verlegung der Präsidentschaftswahlen erfolgte deshalb aus gutem Grund“, erinnerte DFB-Präsident Wolfgang Niersbach. Nun ist in Sao Paulo mit dem Kampf der Fraktionen vieles wie damals, nur dass die Wahl erst in gut elf Monaten terminiert ist - und Blatter nicht mehr wie 1998 Platini als Mitstreiter an seiner Seite hat.
Mit aufgeknöpftem Hemd stolzierte der Franzose durch den Kellergang und warf Journalisten leger ein „Guten Tag und Auf Wiedersehen“ entgegen - mehr wollte er nicht sagen. Im September wird sich Platini erklären, ob er gegen Blatter antreten will. Das verrieten seine Gefolgsleute Niersbach und van Praag.
Die UEFA hat sich mit ihrer Anti-Blatter-Haltung das Leben nicht leichter gemacht. Die Visiere sind heruntergelassen und ohne eigenen Kandidaten kann der Verband nicht mehr in die Abstimmung am 29. Mai in Zürich gehen. Wer Blatter nicht will, muss zumindest eine Alternative bieten. Diese kann eigentlich nur Platini heißen, doch angesichts der starken Unterstützung Blatters durch die anderen Kontinentalverbände ist das Risiko einer Niederlage hoch. „Er weiß auch, was er an der UEFA hat“, sagte Niersbach der dpa.
Also müssen die Europäer womöglich einen anderen Kandidaten finden, der Blatter herausfordert, aber bei einer erwartbaren Niederlage sein Gesicht nicht verliert. Die Kandidatenliste ist überschaubar - van Praag und Niersbach führen sie an, doch der DFB-Chef wiegelte erneut ab. „Keine Chance“, sagte er im Renaissance-Hotel.