Putin trifft Kremlchef beim Elfmeter: Die politische Inszenierung der WM
Moskau (dpa) - Für die perfekte Inszenierung braucht es natürlich noch einen Treffer des Präsidenten.
So zieht sich Wladimir Putin das Jackett aus und tritt hemdsärmelig im Fußball-Park auf dem Roten Platz zum Elfmeter-Duell mit einem Papp-Torhüter an. Tor. Jubel. Abklatschen und Umarmung mit FIFA-Präsident Gianni Infantino. Fotos mit den Fußball-Legenden Lothar Matthäus und Ronaldo vor den berühmten Zwiebeltürmen der Basilius-Kathedrale. Wenig später flimmern die Szenen schon als Aufmacher der Nachrichten des Ersten Kanals über die russischen Bildschirme.
Es sollen einfache Botschaften vermittelt werden durch den gemeinsamen Auftritt vom Duo PutInfantino, das schon beim FIFA-Kongress vor dem WM-Start seine Männerfreundschaft zelebrierte. „Wundervoll, unglaublich, großartige Feier, großartige Spiele, großartige Organisation, gastfreundliches Land“, nennt Infantino in einem kurzen Interview stichwortartig die Gründe für seine Begeisterung über den WM-Gastgeber Russland. Putin freut's - auf dem grünen Kunstrasen in Sichtweite zum Senatspalast plauscht der Kremlchef vertraut mit Matthäus und Ronaldo.
Die Politik sucht seit jeher die Nähe zu den Stars der Branche - so politisch war ein Turnier aber schon lange nicht mehr aufgeladen. Auch Matthäus hat damit eigentlich bereits reichlich Erfahrung gemacht. 2011 geriet der deutsche Rekord-Nationalspieler in die Kritik, weil er wie zahlreiche andere Szenegrößen zum Benefizkick beim umstrittenen tschetschenischen Republikchef Ramsan Kadyrow antrat. Menschenrechtler werfen diesem Morde und Folter vor.
Auch bei dieser WM ließ der kremltreue Kadyrow keine Chance ungenutzt, um mit dem ägyptischen Weltstar Mo Salah Eigen-PR zu betreiben. Bei einem Festessen ernannte er den Liverpool-Profi gleich noch zum Ehrenbürger. Angeblich soll Salah nun aufgrund der Instrumentalisierung sogar über einen Abschied aus dem Nationalteam nachdenken.
Der ägyptische Verband verteidigte die Quartierwahl im früheren Kriegsgebiet im Nordkaukasus. „Nach den Berichten über politische Probleme und den Missbrauch von Menschenrechten in Tschetschenien hatten wir die Möglichkeit, das Quartier in Grosny zu verlassen“, sagte Verbandschef Hany Abo-Rida. „Wir haben es aber vorgezogen zu bleiben, um die ägyptisch-russischen Beziehungen nach Kontakten auf höchster Ebene zu beschützen.“
Der Fußball als Vehikel für politische Verhältnisse - mehr Beweis braucht es nicht, dass das ewige Funktionärsmantra einer angeblichen Trennung von Sport und Politik nur vorgeschoben ist. Das zeigte sich schon beim Eröffnungsspiel, als Infantino zwischen Putin und Mohammed bin Salman, Kronprinz von Saudi-Arabien, auf der Ehrentribüne saß. Kurz zuvor hatten die beiden Staaten verkündet, gemeinsam eine leichte Erhöhung der Ölförderung anstreben zu wollen.
Immer schwappen politische und gesellschaftliche Debatten in die WM. Doppeladler-Jubel von Schweizer Nationalspielern mit kosovarischen Wurzeln im Duell mit Serbien. Die Kritik des serbischen Trainers Mladen Krstajic an Schiedsrichter Felix Brych, den er vor der Kriegsverbrecher-Tribunal in Den Haag stellen will. Der saudische Piratensender beoutQ, der nach dem Verbot der Ausstrahlung von Bildern des katarischen beIN Sport die WM illegal übertragt.
Die Erdogan-Debatte um Mesut Özil und Ilkay Gündogan. Und dazu die westliche Kritik am WM-Gastgeber wegen Einschränkungen bei Pressefreiheit, Menschen- sowie Bürgerrechten. Das frühe Aus des deutschen Teams bewahrte Kanzlerin Angela Merkel vor der Debatte, ob eine Reise zum Finale nach Russland politisch opportun ist.
Das Thema Politik wird den Fußball auch nach dem Turnier in Russland weiter verfolgen. Nach der Vergabe der WM 2026 an die USA, Mexiko und Kanada meinte Infantino auf die Frage nach der Rolle des amerikanischen Präsidenten Donald Trump: „Ich fürchte mich vor keiner politischen Beeinflussung von irgendjemandem.“