Mertesacker stolzer Jubilar gegen Ghana
Fortaleza (dpa) - Seinen Nationalteam-Entdecker Jürgen Klinsmann trifft Per Mertesacker erst im Spiel nach dem großen Jubiläum. 100 Länderspiele - das hätte sich der Abwehrchef des deutschen WM-Teams selbst lange nicht zugetraut.
„Ich war nicht das Talent, dass man davon hätte träumen können“, gestand der 29-Jährige vor dem WM-Gruppenspiel am Samstag in Fortaleza gegen Ghana. „Ich bin einfach sehr, sehr stolz auf diese Zeit, auf diese fast zehn Jahre. Immer wieder Teil dieser hervorragenden Mannschaft sein zu dürfen. Es macht Spaß, dabei zu sein.“
Als 13. deutscher Fußball-Nationalspieler kann Mertesacker die magische Marke erreichen. „Das ist schön, das brennt sich ein, das ist auch eine Marke, die sich sehr gut anfühlt“, erklärte der Profi vom FC Arsenal, „und mit diesem Selbstvertrauen möchte ich in die Spiele jetzt reingehen“.
Was am 9. Oktober 2004 unter Bundestrainer Klinsmann mit einem 2:0 in der iranischen Hauptstadt Teheran begann, führt Mertesacker bei der WM in Brasilien nahe an Franz Beckenbauer (103 Länderspiele) heran. „Ich konnte das damals noch nicht einschätzen. Das war eine Reise ins Unbekannte“, erinnerte sich Mertesacker an den Auftritt vor 110 000 Zuschauern in einer für den Bundesliga-Neuling in allen Belangen neuen Welt. „Aber nach dieser Reise, nach diesem extremen Start, war ich auf alles vorbereitet.“
Lehmann, Görlitz, Huth, Wörns, Lahm, Deisler, Ballack, Brdaric oder Podolski hießen damals einige Mitspieler. Viele Karrieren sind beendet, Mertesacker spielt in der Premier League und beim DFB-Team noch immer auf höchstem Niveau. „Bei den WM-Turnieren war Per immer wichtig“, erinnerte Bundestrainer Joachim Löw an die Endrunden 2006 und 2010. „Ich glaube, dass ihn die EM und die Erfahrung dort sogar noch mal gestärkt hat in seiner Persönlichkeit.“
Die von Löw angesprochene Europameisterschaft 2012 sorgte aber erst einmal für mächtig Frust beim längsten Spieler des aktuellen WM-Kaders (1,98 Meter). „Aber das war für mich ein Schlüsselmoment. Gerade nach der EM 2012 musste ich mich neu beweisen in Verein und Nationalmannschaft, wo mich viele schon abgeschrieben hatten“, schilderte Mertesacker kurz vor der Abreise nach Fortaleza die harte Zeit. „Ich habe dann ein kleines Comeback geschafft.“
Bei Klinsmann und Löw stand der Niedersachse auch wegen seiner geringen Foulquote immer hoch im Kurs. Öffentlich wurde ihm nach der EM 2012 als Reservist hinter Holger Badstuber und Mats Hummels keine große Zukunft im DFB-Dress zugetraut. Auch bei der EURO 2008 hatte er keinen leichten Stand, als er und Christoph Metzelder die Namen „Schleich und Schnarch“ verpasst bekamen. „Metze und ich waren damals das große Duo und wurden ein bisschen parodiert“, sagte Mertesacker lächelnd in einem DFB-Interview über die Zeit rund um das Turnier in der Schweiz und Österreich. „Aber wir haben es trotzdem gut gemacht.“
Besondere Ereignisse seien die „großen Turnier“ immer gewesen, meinte Mertesacker rückblickend. Herausragend war für ihn natürlich das Sommermärchen in der Heimat. „Das Schönste war die WM 2006. Das war das Erlebnis überhaupt. Zwei Jahre vorher war ich noch Abiturient und habe gedacht: Geil, bald gibt's hier eine WM, da kannst du als Fan dabei sein. Und dann spielst du plötzlich mit“, erinnerte der Innenverteidiger in der „Süddeutschen Zeitung“ (Freitag). Noch heute zehre das Nationalteam von der Klinsmann-Zeit, befand der 29-Jährige, „deswegen ist das Spiel gegen die USA mit Jürgen Klinsmann ein sehr Besonderes.“ Es werde „total emotional“, prophezeite Mertesacker.
Vorher aber steht Ghana an - und da will die Innenverteidiger-Abwehrreihe wie auch gegen Portugal stabil stehen. Dass er selbst dabei wie Jérome Boateng gegen Cristiano Ronaldo auch einmal auf eine Außenposition rückt, schließt der in der Jugend als Libero eingesetzte Mertesacker für sich aus. „Ich habe meine Karriere als rechter Verteidiger begonnen damals in Köln. Das war mein erstes Bundesliga-Spiel, ich wurde nach 45 Minuten ausgewechselt“, erinnerte sich der langjährige Werder- und Hannover-Profi. „Da war inbegriffen, dass ich nie wieder auf dieser Position spielen werde. Das hat jetzt nichts mit der schlechten Leistung zu tun, aber ich war einfach fertig mit der Welt.“