Sammelsurium Notizen von der Fußball-Weltmeisterschaft in Russland
Moskau (dpa) -
TV-EREIGNIS: Das historische erste Spiel bei einer Fußball-WM war im isländischen Fernsehen der absolute Renner. Der Marktanteil lag bei 99,6 Prozent, twitterte der isländische Rundfunk.
Quasi alle Isländer, die am Samstag zur Zeit der Partie den Fernseher eingeschaltet hatten, verfolgten also das Duell mit dem zweimaligen Weltmeister und sahen auch das erste jemals bei einer WM von Island erzielte Tor: den Ausgleich von Augsburgs Alfred Finnbogason. Der hat auch eine - wenngleich logisch nicht mögliche - Vermutung, was der Rest gemacht hat: „Die anderen 0,4 Prozent standen auf dem Platz.“
GEDENKEN: Direkt gegenüber der Wolgograd-Arena liegt das gigantische Stalingrad-Mahnmal „Mutter Heimat ruft“. Auf dem dortigen Mamajew-Hügel legten am Montag vor dem WM-Auftaktspiel der Engländer gegen Tunesien britische Fans einen Kranz nieder. Im Beisein von Englands Verbandschef Greg Clarke sollte damit der vielen Opfer gedacht werden. Die Schlacht von Stalingrad von August 1942 bis Februar 1943 gilt als Wendepunkt im Zweiten Weltkrieg zugunsten der Roten Armee. Mehr als 700 000 Menschen verloren ihr Leben.
AUGEN AUF: Spaniens Kicker bewegen sich an ihrem WM-Standort praktisch nur innerhalb der supermodernen Akademie des FC Krasnodar - zum Glück für das Team des Ex-Weltmeisters. Die russische 830 000-Einwohner-Metropole ist weit mehr Auto- als Fahrrad-, geschweige denn Fußgänger-Stadt. An Zebrastreifen warnen Zusatz-Schilder mit einer Brille. Die Fußgängerampeln sind mit Sekundenzähler ausgestattet - und selbst bei sechsspurigen Straßen oft nur 15 Sekunden lang grün.
DEFTIG: Wer in Sotschi auf ein süßes Frühstück hofft, dürfte meistens enttäuscht werden. Denn die zahlreichen Russen, die hier am Schwarzen Meer gerade ihren Sommerurlaub verbringen, mögen es eher deftig. Neben zahlreichen Salatsorten gibt es am Frühstücksbuffett auch Kartoffeln, Hühnchen oder Bratwurst. Auch bei den Pfannkuchen sollte man vorsichtig sein. Denn die sind mitunter ebenfalls mit Fleisch gefüllt.
HELDENVEREHRUNG: Er ist Vorbild, Führungsspieler, Kapitän, Rekordjäger, weltberühmt und für seine Mitspieler ohnehin und sowieso der beste Spieler, den es gibt. Wenn die portugiesischen Auswahlkollegen von Cristiano Ronaldo sprechen, hat das etwas von Heldenverehrung. Nehmen wir mal André Silva. Der ist 22 Jahre alt, damit elf Jahre jünger als Ronaldo, aber auch schon beim AC Mailand unter Vertrag. Am Montag sitzt er dort auf dem Podium im Pressezelt der Portugiesen im kleinen Örtchen Kratowo und schwärmt von Ronaldo, für den alle da seien, umgekehrt sei aber auch er für sie immer alle da. Einfach ein Traum sei es, mit Ronaldo zu spielen.
SPITZNAME: Der Stuttgarter Bundesligaprofi Benjamin Pavard ist seinen Spitznamen „Jeff Tuche“ allmählich leid. „Am Anfang war es ja noch lustig, aber jetzt ...“, sagte der Verteidiger der französischen Nationalmannschaft. Teamkollege Adil Rami hatte ihm diesen Spitznamen in Anlehnung an die von Jean-Paul Rouve gespielte Filmfigur mit dem ausgeprägten Lockenkopf aus der Komödie „Les Tuche“ verpasst.
JAPAN-ANDRANG: Bisher ging es im kleinsten WM-Ort Saransk eher beschaulich zu. Doch vor dem WM-Auftakt der Japaner gegen Kolumbien am Dienstag bevölkerten nicht nur zahlreiche Nippon-Fans die 300 000-Einwohner-Hauptstadt der Republik Mordwinien. Auch Hunderte von Medienvertretern aus Asien reisten an. Bei der Pressekonferenz mit Nationaltrainer Akira Nishino und Eintracht Frankfurts Star Makoto Hasebe platzte der Raum in der Mordowia-Arena aus allen Nähten. Fast zwei Dutzend Kameras waren aufgebaut, die rund 180 Stühle voll besetzt. Einigen Journalisten blieben nur noch Stehplätze.
DER MESSI-ALPTRAUM: Zuschauer halten sich die Hände vors Gesicht. Blankes Entsetzen. Sie können nicht hinsehen. Ein Alptraum. Diesen Sommer. In der Hauptrolle Lionel Messi. Allerdings geht es nicht um das mögliche vorzeitige Aus von Messi und seinen Argentiniern bei der Fußball-WM in Russland. Es sind auch keine Aufnahmen vom Auftaktremis gegen Island, erst recht keine Bilder vom verschossenen Elfmeter des südamerikanischen Superstars. Es ist ein Video eines Sponsors, in dem Messi unter den gegnerischen Abwehrspielern Angst und Schrecken verbreiten soll.
GESCHÄFTSTÜCHTIG: In Russland setzen auch die Supermärkte auf die WM. Neben allen möglichen Süßigkeiten oder Bonbons, die mit dem offiziellen Logo versehen sind, bieten einige Shops auch Produkte aus den Teilnehmerländern an. „Bonjour France“ heißt es auf Galettes. Und „Hallo Deutschland“? Wird natürlich mit Bier und Brezeln assoziiert.