WM-Joker stechen in Brasilien mehr als sonst
Rio de Janeiro (dpa) - Mit Ottmar Hitzfeld will sich Marc Wilmots sicherlich noch nicht auf eine Stufe stellen. Doch gleich bei seinem WM-Debüt als Trainer gelang dem Belgier das gleiche Kunststück wie zwei Tage zuvor dem erfahrenen deutschen Chefcoach der Schweizer.
Beide wechselten ihr Glück ein und untermauerten damit einen Trend, der bei der WM in Brasilien mehr als auffällig ist. Joker sind am Zuckerhut erfolgreicher als im Fußball-Alltag. Die Wechselspiele der Trainer haben sich schon oft gelohnt.
„Wir haben viele Alternativen. Wir wissen, dass wir Qualität haben, die reinkommen kann“, sagte Hitzfeld nach dem 2:1 (0:1)-Sieg gegen Ecuador durch Tore der Joker Admir Mehmedi und Haris Seferovic. Gleiches hätte auch Wilmots über seinen Kader sagen können. Die Einschätzung übernahm aber sein Spieler Marouane Fellaini, der nach seiner Einwechslung den Ausgleich gegen Algerien köpfte. Sein Kollege Dries Mertens, eine Halbzeit Leidensgenosse auf der Bank, sorgte für den späten 2:1-Sieg.
„Der Trainer hat seine Auswahl getroffen, ich akzeptiere sie. Vielleicht hätte ich nicht getroffen, wenn ich begonnen hätte. Es gibt 23 Spieler, die in der Startelf stehen können. Der Trainer entscheidet, und dann haben wir ja gesehen...“, sagte Fellaini. Algeriens Trainer Vahid Halilhodzic gestand nach der Niederlage gegen Belgien etwas zerknirscht: „Die beiden Einwechslungen haben den einzigen Unterschied gemacht.“ Auch Joachim Löw hat die Bedeutung der Bankspieler immer wieder betont, stechen mussten Lukas Podolski und Co. bei der Auftakt-Gala gegen Portugal aber noch nicht.
Zwei Jokertore gab es auch noch beim 1:1 zwischen Russland und Südkorea von Alexander Kerschakow und Lee Keun Ho. Der Berliner Amerikaner John Brooks köpfte Jürgen Klinsmanns US-Boys nach seiner Einwechslung zum 2:1-Siegglück gegen Ghana, und am Donnerstag verhalf Kolumbiens Juan Quintero mit einem Treffer 17 Minuten nach seiner Einwechslung zum 2:1 gegen die Elfenbeinküste. Insgesamt stehen nach 21 Spielen schon zwölf Jokertore zu Buche.
Vor vier Jahren in Südafrika hatten die Ersatzleute von der Bank nach 64 Spielen 15 Tore erzielt. Diese Quote sollte diesmal schnell erreicht sein. Aber warum? Eine Erklärung ist das Klima in Brasilien, verknüpft mit der gnadenlosen Offensivtaktik zahlreicher Mannschaften. Wenn die Kräfte bei vielen schwinden, haben es die Einwechselspieler leichter, selbst zu stechen.
Oder eine Wende zu erzwingen, wie Didier Drogba, der die Elfenbeinküste mit purer Präsenz auf dem Platz gegen Japan zum 2:1 führte. Auch diese Partie war ein Beispiel für einen anderen WM-Trend. Schon siebenmal wurde ein Spiel nach Rückstand noch gedreht, was viele Experten wegen der klimatischen Extrembedingungen eigentlich für unwahrscheinlich erklärt hatten.