Zukunft vieler WM-Stadien in Brasilien offen
Curitiba (dpa) - Brasilien droht ein Phänomen: Nach der Copa do Mundo könnte es dort bald „weiße Elefanten“ geben. Wie nach der Fußball-WM in Südafrika stehen einige der gigantischen Arenen vor einer ungewissen Zukunft oder gar einem langsamen Verfall.
Vor allem die teils neu, teils aufwendig umgebauten Stadien in Manaus, Cuiabá und Natal könnten künftig weitgehend ungenutzt bleiben. Nach der Gruppenphase ist dort erstmal Schluss mit Spitzenfußball: Es gibt in diesen drei Städten keinen nationalen Top-Club.
Spätestens dann, wenn die Euphorie über das Fußball-Festival verflogen ist, dürfte sich die Diskussion über diese Milliarden Reais verschlingenden „Dickhäuter“ aus Beton wieder verschärfen. Die vor dem Turnier massiven Proteste gegen eine derartige Geldverschwendung angesichts wachsender sozialer Gegensätze und weit verbreiteter extremer Armut dürften wieder anschwellen.
Die politisch Verantwortlichen versuchen daher gegenzusteuern. Staatschefin Dilma Rousseff hatte schon bei der Eröffnung des Mané-Garrincha-Stadions 2013 in Brasília beruhigt: „Das ist ein Ort für verschiedenste Anlässe - kulturelle und Bildungsverstaltungen. Es gibt die Möglichkeit, diese Arena kommerziell zu nutzen.“ Das Stadion ist mit 1,4 Milliarden Reais (etwa 460 Millionen Euro) der teuerste der zwölf WM-Tempel.
Sportminister Aldo Rebelo wiegelte Bedenken ab, die Stadien in Manaus oder Cuiabá könnten nach der WM leer stehen und zu „weißen Elefanten“ mutieren. Sie seien als Multifunktionsstätten konzipiert. Dazu hatte Richter Sabino Marques angesichts überfüllter Haftanstalten im Vorfeld einen zynischen Vorschlag gemacht: „Wir sollten das Stadion künftig als Zwischenlösung nutzen, um von hier aus Straftäter in Gefängnisse zu verteilen.“ FIFA-Funktionäre, Kommunen und Bauträger wiesen auch auf die angeblich vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten hin und betonten die Bedeutung der Nachhaltigkeit der Konstruktionen. „Es ist nicht immer unbedingt sichtbar, was durch die WM hinterlassen wird“, sagte etwa Niclas Ericson, der TV-Direktor des Weltverbands.
Hubert Nienhoff, Leiter des deutschen Architektenbüros „gmp“ in Rio de Janeiro, erklärte: „Es wird immer mehr Wert darauf gelegt, zusätzliche Funktionen in ein Stadion zu integrieren, um damit die Attraktivität der Nutzung zu steigern. Die Stadien müssen einen höheren Vermarktungswert haben und zusätzliche Einrichtungen bieten, die eine Nutzung an 365 Tagen im Jahr ermöglichen.“ „gmp“ hat nach eigenen Angaben das Nationalstadion in Brasília und die Arena da Amazônia in Manaus gebaut sowie den Entwurf zur Modernisierung des Stadions Mineirão in Belo Horizonte geliefert.
Größtes Unverständnis hat weltweit die Wahl der Dschungel-Metropole Manaus als Austragungsort ausgelöst. Die Einwohner waren zwar froh, beim Spektakel live dabei zu sein und ein neues Stadion zu haben. Andererseits wäre den meisten lieber gewesen, der dreistellige Millionenbetrag wäre in Schulen, Krankenhäuser oder andere soziale Einrichtungen geflossen. Zumal es in der Amazonasregion weder einen Profiverein noch eine prominente Regionalmeisterschaft gibt.
Das gilt auch für Brasília, Natal und Cuiabá. Bekanntester Verein in Cuiabá ist der Mixto Esporte Clube. Der Viertligist, immerhin 24 Mal Meister des Bundesstaates Mato Grosso wurde bis 1986 in der Serie A spielte, soll das 41112 Fans fassende Stadion Pantanal nun nützen.
Die 178 Millionen Euro teure Arena wurde unter ökologischen Aspekten neu gebaut und soll nun auch für Messen und Konzerte dienen. Aber die Infrastruktur ist mangelhaft: Von der 22 Kilometer langen Straßenbahn mit 33 Haltestellen, die unter anderem vom Flughafen ins Stadtzentrum führen soll, sind erst ein paar 100 Meter fertig. Das trifft auch auf die Ringstraße Avenida Miguel Sutil zu. Viele Provisorien gibt es auch rund um die Arena das Dunas in Natal: Brücken im Rohbau oder Schilder an einer Zufahrtsstraße, die Fußgänger vor deren Benutzung warnen. Die WM ist für Natal vorbei, das Werkeln geht weiter. Und einen national konkurrenzfähigen Verein gibt es auch nicht.
Wenigstens das ist in Curitiba anders: Der Clube Atlético Paranaense ist nicht nur ein renommierter Erstligist, ihm gehört auch die aufwendig renovierte Arena da Baixada im Herzen der Handelsmetropole. Das gut 41 000 Zuschauer fassende Stadion riecht zwar immer noch stark nach frischem Beton, aber es wird nach der WM sicher nicht als „weißer Elefant“ nutzlos in der Gegend herumstehen.