WM 2018 Gegen Südkorea: "Effe" zeigt den Stinkefinger, Ballack opfert sich
Zwei Mal traf die DFB-Elf bisher bei einer WM auf Südkorea. Vor allem eine Geste ist im kollektiven deutschen Fußball-Gedächtnis hängen geblieben.
Moskau. Er hatte nicht gut gespielt. Wie fast alle. Bei fast 50 Grad in Dallas litt Stefan Effenberg wie ein Hund im letzten Gruppenspiel der WM 1994 gegen Südkorea. Es stand nach 75 Minuten 3:2, und Teile der deutschen Zuschauer hatten sich ihn als Sündenbock herausgepickt. Der junge Effenberg war mit arroganten Sprüchen wie „Es zählt nur die Kohle“ aufgefallen. Ein rotes Tuch. In Sorge um den Sieg, der nach Toren von Jürgen Klinsmann (12., 37.) und Karl-Heinz Riedle (20.) zur Pause noch sicher schien, wechselte Bundestrainer Berti Vogts ihn aus.
Und da passierte er, der größte Skandal deutscher WM-Geschichte, von dem es nicht mal ein Bild gibt: Effenberg zeigte den Pöblern den Mittelfinger. Was er gar nicht bestreitet. Aber doch verharmlost: „Einmal und nur für höchstens zwei Sekunden. Die meisten Leute im Stadion sahen das gar nicht. Ich selbst registrierte es eigentlich auch nicht. Ein schlechtes Gewissen hatte ich daher überhaupt nicht.“ So heißt es in seiner Biografie „An mir kommt keiner vorbei“.
Bis heute ist ungeklärt, wer den DFB informierte. Effenberg glaubt, es sei ARD-Experte Karl-Heinz Rummenigge gewesen. Die Suspendierung lief am 28. Juni um 17.48 Uhr (MEZ) über die Agenturen. Für Braun war eine rote Linie überschritten, er sah 10 000 Fans verunglimpft, die viel aufgewendet hatten. Effenberg wartete die Entscheidung der nächtlichen Beratung gar nicht mehr ab. „Schöne WM und ein schönes Leben noch!“ Als vierter deutscher Spieler der WM-Historie flog er aus dem Kader, aber nicht nach Hause. Er urlaubte in Florida und verkaufte für 70.000 DM Interna aus dem Lager an eine Sportzeitschrift. Daher hätte er auch weitreichendere Konsequenzen für Özil und Gündogan vom DFB erwartet, wie er der kürzlich sagte.
Das zweite WM-Spiel gegen Südkorea hatte keinen Sündenbock, wohl aber einen tragischen Helden. Im Halbfinale von Seoul am 25. Juni 2002 gegen den Gastgeber stand es nach 71 spannenden Minuten noch 0:0, als Michael Ballack einen Konter mit einem taktischen Foul an Chun Soo Le stoppte. Entsetzt rief ARD-Kommentator Heribert Faßbender: „Mein Gott, warum macht er das?“ Schiedsrichter Urs Meier zückte Gelb. Michael Ballack, der unverzichtbare Antreiber, verpasste damit das Finale. In diesem Moment größter Enttäuschung wuchs Ballack zu einem Siegertypen — in nur drei Minuten. Da nämlich schoss der Mann, der seit drei Minuten wusste, dass er nicht am Finale teilnehmen konnte, den Siegtreffer. Seinen Rechtsschuss parierte Keeper Lee noch, doch den Abpraller nicht mehr. 1:0 für Deutschland.
Die Dramaturgie des Augenblicks erfassten andere. Eine englische Zeitung schrieb: „Er müsste zusammen sinken und weinen. Und was macht der verdammte Kerl? Er steht auf und schießt das entscheidende Tor.“ Im Finale aber fehlte er und Deutschland verlor mit 0:2 gegen Brasilien. Es ist das einzige Spiel, das der damalige Teamchef Rudi Völler gerne noch mal spielen wollte -„aber dann mit Michael Ballack.“