Keiner springt höher Das Mais-Geheimnis von Handballer Reichmann

Zagreb (dpa) - Wer viel Mais isst, kann hoch springen: So lautet zumindest das Rezept von Handball-Nationalspieler Tobias Reichmann. Tatsächlich springt keiner im Team des Europameisters höher als der 29 Jahre alte Rechtsaußen von der MT Melsungen.

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Für Reichmann liegt das daran, dass er „wirklich viel Mais“ isst, wie er sagt. „Jeden Tag, weil es halt den Effekt wie Popcorn hat“, meint er und lacht. „Ich rede es mir zumindest ein, und es klappt ja auch ganz gut.“ Und anscheinend sorgt Mais auch für extrem starke Nerven. Mit seinem in letzter Sekunde verwandelten Siebenmeter rettete Reichmann dem Europameister den Einzug in die Hauptrunde.

„Den größten Respekt für Tobi Reichmann, dass er ihn so eiskalt verwandelt. Der Junge hat jetzt einen gut bei uns“, sagte Teamkollege Kai Häfner nach dem spektakulären 25:25 gegen den WM-Dritten Slowenien. Mit nun 3:1-Punkten können die Spieler von Bundestrainer Christian Prokop dank Reichmann bei der EM in Kroatien bereits für die nächste Turnierphase planen.

Tatsächlich hat in der DHB-Auswahl kaum jemand stärkere Nerven als der gebürtige Berliner. Und es hebt tatsächlich niemand spektakulärer ab. Setzt Reichmann zum Wurf an, steht er gefühlt sekundenlang in der Luft. Seine enorme Sprungkraft war neben etlichen verwandelten Siebenmetern auch ein Grund, warum er beim sensationellen EM-Sieg vor zwei Jahren zum besten Torschützen der DHB-Auswahl avancierte.

Stand Reichmann in der Luft, zappelte der Ball kurz danach meistens im gegnerischen Netz. 46 Tore hatte er bei dem Turnier in Polen erzielt und ein für ihn außergewöhnliches Jahr wenige Monate später mit dem Champions-League-Sieg gekrönt. Seitdem ist viel passiert.

Nach dem Erfolg in der Königsklasse mit seinem Ex-Club KS Vive Kielce erlebte Reichmann das, was viele Spitzenhandballer erleben. Im Sommer 2016 war er auf dem vorläufigen Höhepunkt seiner Karriere angelangt, es blieb ihm aber kaum Zeit, das zu reflektieren. Denn kurz danach standen bereits die Olympischen Spiele und eine lange Reise nach Rio de Janeiro an, anschließend ging es mit Kielce in der polnischen Liga und natürlich auch in der Champions League weiter. Anstelle einer ausgedehnten Winterpause kam dann im Januar schon wieder die WM. Reichmann sprang in dieser Zeit nicht mehr so hoch wie gewohnt.

Im vergangenen Sommer kehrte er nach Deutschland zurück. Dank eines finanzkräftigen Sponsors gelang es der kleinen MT Melsungen, Top-Spieler wie ihn, Finn Lemke oder Julius Kühn zu verpflichten. Im Fokus steht Reichmann aber erst jetzt wieder, bei der EM in Kroatien. Wegen seiner Treffsicherheit war der Titel vor zwei Jahren auch eng mit seinem Namen verbunden. Er hatte damals davon profitiert, dass Kapitän Uwe Gensheimer verletzungsbedingt nicht dabei war. „Klar war das ein Vorteil für mich, ein glücklicher Umstand, dass ich dadurch die Siebenmeter werfen konnte“, sagt er.

Er warf sie meistens rein, was sein Selbstbewusstsein beförderte und ihn auch in anderen Situationen treffen ließ. Das Turnier in Polen habe ihn insgesamt „gefestigter, selbstbewusster“ gemacht, sagt er. Seine Tore waren damals einer der Schlüssel zum Erfolg, sie können es auch in Kroatien sein. Dafür muss er das Vertrauen in seine Fähigkeiten wiederfinden, was ihn 2016 so stark gemacht hatte. Seine Sprungkraft zumindest hat kein wenig gelitten. Und genug Mais gibt es auch im Teamhotel in Zagreb.