Deutscher Handball, was nun?
Vor dem Saisonstart der Bundesliga am Wochenende belasten viele Konflikte die Sportart. Darunter auch die Probleme bei der TV-Übertragung.
Reutlingen. Auch der Handball ist ein schnelllebiges Geschäft geworden. Vorbei die Zeiten, als dieser Sport noch die Sportszene in legendären deutschen Handball-Dörfern wie Großwallstadt, Milbertshofen oder Niederwürzbach allein bewegte. Die herausragende Liga der Welt geht mit der Zeit. Und mit der Zeit auch hohes Risiko.
Stefan Adam, Geschäftsführer für Finanzen, Marketing, Kommunikation und Organisation des deutschen Rekordmeisters THW Kiel, kündigte in der aktuellen „Handballwoche“ noch die erfolgreiche Titelverteidigung im Supercup an. Da lag er erstens — wie wir seit Dienstag wissen — falsch und war zweitens zur Veröffentlichung der Prognose seinen Job schon los.
Sieben Monate dauerte das Engagement von Adam, der zuvor sieben Jahre lang erfolgreicher Geschäftsführer des Bergischen HC in Wuppertal gewesen war. „Die Vorstellungen über die angestrebten Saisonziele“ lagen in Kiel zu weit auseinander, wie der Aufsichtsrat lapidar mitteilte.
Bei Adams Demission war die Posse um Frank Rost als Geschäftsführer beim HSV Hamburg erst ein paar Tage her. Der ehemalige Fußballprofi hielt sich gerade einmal 43 Tage im Amt.
Das professionelle Sportgeschäft wird härter. Und nicht jeder passt in diese Mechanismen. Auch der Bundestrainer, ein international anerkannter Fachmann, wirkt in diesem Geschäft manchmal deplatziert. Martin Heuberger, Chef des deutschen Vorzeigeteams, leidet unter den Folgen der verpassten Olympiaqualifikation 2012 und der erstmals verpassten Qualifikation zur Europameisterschaft 2014.
Vor der Wahl des neuen Präsidiums des deutschen Handball-Bundes um Bernhard Bauer und Bob Hanning am 21. September machen viele Negativ-Schlagzeilen die Runde. Die Posse um die deutsche Bewerbung um die WM 2019 etwa — angekündigt vom neuen, aber nicht abgestimmt mit dem amtierenden Präsidium — ist eine Funktionärs-Rangelei ohne Beispiel.
Zum Nachteil einer Sportart, die das Fernsehen weiter wenig interessiert. „Fußball ist das, was die Menschen schauen. In allen anderen Bereichen geht die Zuschauerakzeptanz zum Teil dramatisch den Bach runter“, sagte WDR-Sportchef Steffen Simon dieser Zeitung. „Wir zeigen diese Sportarten trotzdem, weil wir den Auftrag haben.“
Simon fügt angesichts steigender Kritik von Frank Bohmann, Geschäftsführer der Handball-Bundesliga, an: „Es reicht eben nicht aus, immer auf die Öffentlich-Rechtlichen zu schimpfen, man braucht Konzepte.“ Im Handball gibt es offenbar keines. Selbst der TV-Sender Sport1 verändert seine Struktur, kippte Handball am Dienstag aus dem Programm und zeigt stattdessen lieber Regionalliga-Fußball. 4. Liga also.
Die Handballtage bei Sport 1 sind künftig Mittwoch und Sonntag. Am Sonntag in Konkurrenz zur Champions League in der eigenen Sportart. Die HBL will das ändern, der europäische Verband EHF sperrt sich aber noch.
Sportlich ist in der Liga Spannung garantiert, weil es einen Durchmarsch Kiels nicht mehr geben wird. Nach den Abgängen von Ilic, Narcisse, Omeyer und Ahlm ist an der Förde Umbruch angesagt, Trainer Alfred Gislason muss eine neue Mannschaft um Rasmus Lauge, Waell Jallouz und Johan Sjöstrand aufbauen. Gislason spricht von der Favoritenstellung der SG Flensburg-Handewitt. Auch die Rhein-Neckar-Löwen dürfen Ansprüche anmelden. Der HSV befindet sich wie der THW im Umbruch.
Was die Zukunft anbelangt, steht der Handball hierzulande am Scheideweg zwischen internationaler Reputation und sportlichem Rückschritt. Mut macht da, dass die HSG Wetzlar vor Saisonbeginn noch einen Superstar an Land zog. Der Kroate Ivano Balic, zweifacher Welthandballer, Weltmeister und Olympiasieger, unterschrieb. Ganz Wetzlar stand Kopf. Wegen eines Handballprofis.