Handball Die Sehnsucht des THW Kiel beginnt heute in Düsseldorf
Düsseldorf · THW-Geschäftsführer Viktor Szilagyi will Meister werden. Doch vor dem Meisterschaftsstart der Kieler steigt der Supercup gegen Flensburg.
Zweimal die SG Flensburg-Handewitt, davor zweimal die Rhein-Neckar-Löwen aus Mannheim. Seit 2015 wartet der THW Kiel jetzt schon auf den Gewinn der Deutschen Handball-Meisterschaft. Vier Jahre ohne die nationale Krone, das hätte bei Fußball-Primus FC Bayern München den Notstand ausgerufen. Beim Handball-Rekordmeister hingegen wird dies relativ nüchtern betrachtet.
„Es wurde sich ja ganz bewusst für einen Umbruch entschieden und auf viele jüngere Spieler gesetzt. Natürlich hatte der THW Kiel dennoch das Ziel, Meister zu werden. Es gilt jedoch auch, die Leistung der Konkurrenten zu honorieren und aus ihr zu lernen“, sagt Kiels Geschäftsführer Viktor Szilagyi.
Respekt sowie Demut trotz des Dürstens nach Erfolg – das unterscheidet den Handball nach wie vor von den beiden anderen großen deutschen Mannschaftssportarten Fußball und Eishockey. Natürlich blieb es beim THW Kiel auch deshalb ruhig, weil er nicht nur ein äußerst sachverständiges Publikum hinter sich weiß, sondern auch den Trophäenschrank nicht gänzlich ungefüllt ließ.
2017 sowie 2019 wurde der Pokal gewonnen, 2019 zudem der mit der Europa League im Fußball vergleichbare EHF-Cup geholt. Die vergangene Saison also war erfolgreich und sie hat den Hunger in Verein wie in der Stadt geweckt. „Zwei Titel sind überragend, dazu haben wir mit 62:6 Punkten eine ganz starke Bundesliga-Runde gespielt. Es gab halt einen Verein, der es noch einen Tick besser gemacht hat. Doch wir sind auf einem guten Weg. Die Sehnsucht nach der Meisterschaft ist jedenfalls wieder spürbar groß“, sagte Viktor Szilagyi im Gespräch mit unserer Zeitung.
Seit Januar 2018 ist der in Budapest geborene Österreicher beim THW Kiel in verantwortlicher Position. Davor hatte er als sportlicher Leiter dem Bergischen HC in die Erfolgsspur verholfen. Szilagyi ist gut vernetzt. Für den BHC lotste er den schwedischen Kreisläufer Max Darj an die Wupper, für 2020 konnte er mit Sander Sagosen den derzeit wohl besten Rückraumspieler der Welt für den THW verpflichten. Doch für Erfolg müssen auch die Rahmenbedingungen stimmen, in dieser Hinsicht hat Szilagyi ebenso viel auf den Weg gebracht.
„In der Vergangenheit hatte der THW oft mit Verletzungen zu kämpfen. Deshalb haben wir Abläufe im medizinischen Bereich verbessert und zudem erstmals einen speziellen Athletik-Trainer, der viel im individuellen Bereich mit den Spielern arbeitet, eingestellt. Wir haben in Prävention investiert“, meint Szilagyi.
Filip Jicha beerbt „Übervater“ Alfred Gislason als Cheftrainer
Der Umbruch im Kader ist abgeschlossen, die Infrastruktur stimmt. Der THW Kiel scheint bestens gerüstet, um die Meisterschale wieder zurück in die Ostseehalle zu holen. Doch es gibt ein großes Aber. Nach elf Jahren hat sich Trainer Alfred Gislason in den zumindest vorläufigen Ruhestand verabschiedet. Der Nachfolger des zuweilen autoritären „Übervaters“ ist mit Filip Jicha zwar ein großer Spieler, der mit dem THW alles gewonnen hat. Er ist mit 37 aber auch 22 Jahre jünger und erstmals als Chef tätig.
„Keine Frage, der Trainer ist für die Mannschaft die wichtigste Personalie. Aber Filip ist ja nicht neu, er hat bei uns schon vergangene Saison mit Alfred gearbeitet. Dieser hat ihn dabei nicht als Assistent behandelt, sondern ihm eigene Verantwortungsbereiche übertragen. Filip ist im Kader zu hundert Prozent akzeptiert“, erklärt Szilagyi. Jicha selbst ist sich der großen Fußspuren von Gislason bewusst, will aber seinen ganz eigenen Weg gehen. „Ich möchte der Mannschaft meine Philosophie vermitteln“, sagt der Tscheche. Er weiß, dass er in eine gänzlich neue Welt eintaucht. „Ein Welthandballer ist nicht automatisch ein guter Trainer. Ich fange bei Null an.“ Der erste Meistertitel des THW seit 2015 wären dabei wie Siebenmeilenstiefel.