Gelingt den deutschen Handballern der EM-Coup?

Breslau (dpa) - Die Sensation ist perfekt: Die deutschen Handballer spielen bei der EM in Polen erstmals seit acht Jahren wieder um den Einzug in ein großes Finale. Dafür muss das Team von Bundestrainer Dagur Sigurdsson am Freitag in Krakau Norwegen bezwingen.

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Was bedeutet der Erfolg für den deutschen Handball und die Bundesliga?

Der deutsche Männer-Handball ist in die Weltspitze zurückgekehrt. 2012 fehlte das Team bei den Olympischen Spielen in London, 2014 bei der EM in Dänemark. Zudem wurde sportlich die Qualifikation für die WM 2015 in Katar verpasst. Dank einer Wildcard spielte die Nationalmannschaft dort trotzdem und überraschte als Siebter inklusive Qualifikation für die Olympia-Ausscheidung. Und nun mindestens Platz vier bei der Meisterschaft des stärksten Handball-Kontinents der Welt - die Spieler selbst nannten das „phänomenal“ und „gigantisch“. Für die Bundesliga ist das ein klares Signal: Junge deutsche Spieler in der Liga fordern und fördern ergibt eine starke Nationalmannschaft.

Wie groß ist der Anteil von Sigurdsson?

Dagur Sigurdsson ist der Schlüssel zum Erfolg. Der Isländer setzt auf junge Spieler. Und vor allem vertraut er ihnen. Wer nominiert wird, spielt auch. Dadurch haben die Spieler keine Angst vor Fehlern. Das hat er auch schon beim Bundesligisten Füchse Berlin bewiesen und Talente wie Paul Drux und Fabian Wiede zu Klasse-Spielern gemacht. Sigurdsson, als Nationalspieler für Island ein Spielmacher von internationaler Spitzenklasse, ist zudem ein Taktik-Fuchs. Jeder Spieler bekommt seine Aufgabe, die Mannschaft hat einen Matchplan, den der Bundestrainer mit seinen beiden Co-Trainern Alexander Haase und Axel Kromer detailgenau ausarbeitet.

Was macht die Mannschaft stark?

Jeder Spieler kennt seine Rolle. Wenn er sie ausfüllt, kommt der Erfolg. Diese Erfahrung schafft Selbstvertrauen. Entsprechend tritt das Team auf dem Spielfeld auf, abseits der Platte sind die Spieler aber zurückhaltend und bescheiden. Man darf dabei auch nicht vergessen, dass die deutsche Mannschaft mit 24,6 Jahren das jüngste Team der EM ist - inklusive Unbekümmertheit, Frechheit und erstklassiger Fitness.

Wer sind die Leader?

Im Grunde gibt es keine Leader - abgesehen vom Bundestrainer, der innovativ auf alle Spielsituationen eine Antwort hat und sie seinen Spielern vermitteln kann. Das große Plus ist der Teamgeist. Allerdings kommen den erfahrenen Steffen Weinhold trotz dessen Verletzung, Carsten Lichtlein und Martin Strobel mehr Führungsaufgaben. Verantwortung fürs Team aber übernimmt jeder Spieler. Bei den Handballern stimmt der Spruch: der Star ist die Mannschaft.

Kann die deutsche Mannschaft den Titel holen?

Nach fünf Siegen in sechs Spielen ist der deutschen Mannschaft alles zuzutrauen. „Da ist das Ende auch noch nicht da“, sagte Torwart-Legende Andreas Thiel am Donnerstag im ARD-„Morgenmagazin“. Ob tatsächlich der erste Titel seit dem WM-Gewinn 2007 im eigenen Land herausspringt, hängt von vielen Faktoren ab. Wie kommt das Team mit dem ersten Ortswechsel der EM von Breslau nach Krakau klar? Wie gut können die Spieler regenerieren? Bleiben sie ihrer Linie treu und konzentrieren sich nur auf ihr Spiel? Verkraftet die Mannschaft den steigenden Medienrummel so gelassen wie bisher? Das Wichtigste ist: Erst einmal muss Norwegen bezwungen werden.

Wie stark ist der Halbfinalgegner?

Norwegen ist in mindestens gleichem Maße ein EM-Überraschung wie die deutsche Mannschaft. Schon das Halbfinale ist das beste Resultat für den norwegischen Männer-Handball, der immer im Schatten der seit Jahren Titel sammelnden Frauen steht. In dem früheren Bundesliga-Spieler Christian Berge steht auch bei den Skandinaviern ein vergleichsweise und einfallsreicher Trainer an der Seite. Elan und Unbekümmertheit demonstrieren aus dem Rückraum Sander Sagosen, Epen Lie Hansen, Harald Reinkind oder Christian O'Sullivan. Bekannteste Akteure sind Kreisläufer Bjarte Myrhol, Erlend Mamelund und Kent Robin Tönnesen.