Glandorf: „Ich kann nicht Halbgas“
Leipzig (dpa) - Ein verstimmter Bundestrainer, eine verwunderte Öffentlichkeit und viele Fragen: Mit seiner Absage für die Handball-WM im Januar in Spanien hat Holger Glandorf ebenso Zustimmung wie Kritik ausgelöst.
Trotz toller Leistungen in der Bundesliga plagen den 29-jährigen Weltmeister von 2007 als Folge einer bakteriellen Infektion an der linken Achillessehne aus dem April gesundheitliche Probleme. Im Interview mit der Nachrichtenagentur dpa spricht der Rückraumspieler von der SG Flensburg-Handewitt erstmals ausführlich über die Gründe für seine WM-Absage, die gewesene Gefahr einer Fußamputation und seinen Wunsch nach einem Comeback in der Nationalmannschaft im April 2013.
Weshalb haben Sie Ihre Teilnahme an der WM abgesagt?
Glandorf: „Zum einen bin ich immer noch in der Rehabilitation von meiner Verletztengeschichte aus dem April mit dem Fuß. Hinzu sind jetzt noch ein paar Komplikationen aufgetreten, die ich auch schon der Öffentlichkeit bekanntgegeben habe, die man natürlich gut in den Griff kriegen kann. Aber gerade, um das mit den Medikamenten richtig einzustellen, brauche ich einen gewissen Zeitraum. Das wird schon sehr zeitnah passieren. Deswegen habe ich die Teilnahme an der Weltmeisterschaft diesmal abgesagt. Zudem habe ich im Januar noch eine Reihe medizinischer Tests vor mir. Die sind wichtig, um bald wieder in meine gewohnte Form zurück zu finden, damit ich konstant die Leistung bringen kann, die alle von mir gewohnt sind.“
Bundestrainer Martin Heuberger hat Ihnen in Gesprächen Brücken gebaut für die WM-Teilnahme. Warum sind Sie nicht über diese gegangen? Und wie hat er darauf reagiert?
Glandorf: „Natürlich war er enttäuscht. Das kann ich auch absolut nachvollziehen. Ich bin auch traurig, dass ich absagen musste. Ich bin nicht der, der sagt, ich habe keine Lust, Nationalmannschaft zu spielen. Ganz im Gegenteil. Auch ich hätte gerne eine schnellere Rehabilitation. Aber fünf Spiele in sieben Tagen allein in der Vorrunde machen mein Körper noch nicht mit. Und zu den Brücken: Was teilweise geschrieben wurde, dass ich später zum Lehrgang kommen sollte zum Beispiel, das war für mich neu. Aber wer mich kennt und wer meine Spielweise kennt: Ich kann nicht Halbgas. Entweder mache ich das komplett oder gar nicht. Und ich brauche einfach einen gewissen Zeitraum, nicht nur eins, zwei Tage, also eine längere Pause. Meine Krankenakte kennt inzwischen ganz Handball-Deutschland. Man sollte mit dieser Sache nicht spaßen.“
Beginnt mit der WM-Absage jetzt ein schleichender Abschiedsprozess?
Glandorf: „Nein, überhaupt nicht. Selbst im Krankenbett im April nach der ganzen Geschichte, wo ich sicher auch sehr aufgebracht war verständlicherweise, habe ich immer gesagt, ich möchte so nicht meine Karriere im Verein oder in der Nationalmannschaft beenden. Ich möchte das schon selber bestimmen, wann ich aufhöre. Ich habe immer Lust gehabt und stolz gespürt, für die Nationalmannschaft zu spielen.“
Lassen Sie uns noch mal auf den April zurückkommen: Stimmt es, dass die Gefahr einer Fußamputation bestand?
Glandorf: „Ja, sicherlich. Da haben die Ärzte relativ schnell den Schluss gezogen, dass es so eine Infektion sein kann und haben mich unter Beobachtung gestellt und sind rechtzeitig eingeschritten. Wenn man den Eingriff zu spät gemacht hätte, dann hätte es keinen anderen Schritt gegeben. Ich habe auch genügend Zuschriften von Zuschauern und Fans bekommen, die sehr tragische Fälle gehabt haben und die das ganze Bein oder bis zum Knie den Fuß abgenommen bekommen haben. Glücklicherweise ist das nicht so passiert und ich kann wieder Handball spielen. Das ist für mich das Schönste.“
In Ihrer Jahresbilanz sagen Sie doch sicherlich: Gott sei Dank, es ist alles gut gegangen?
Glandorf: „Ja, definitiv. Es hat mir schon gereicht, dass meine Karriere am seidenen Faden hing. Dass ich mich wieder langsam zur alten Form zurück arbeiten kann, macht mich froh. Dass ich am Handball riesen viel Spaß und Freude habe, das sieht man doch auf dem Spielfeld. Mir da eine Unlust zu unterstellen nach all dem Erlebten in diesem Jahr, das ist schon schade und eine Enttäuschung für mich. Denn das ist das Schönste, was man machen kann: Sein Hobby zum Beruf.“
In welcher Form hat Ihr Verein auf die WM-Absage eingewirkt?
Glandorf: „Hätte ich gesagt, ich fahre zur Nationalmannschaft, hätten sie mich unterstützt. Ich wurde auf keinen Fall unter Druck gesetzt oder sonst etwas.“
Wann wollen Sie wieder in die Nationalmannschaft zurückkehren?
Glandorf: „Wenn es nach mir geht: Bald! Ich hoffe, dass ich alles Gesundheitliche im Januar geregelt kriege und dass alles vernünftig läuft. Dann möchte ich natürlich schon sehr zeitnah wiederkommen. Im April stehen sehr wichtige Quali-Spiele an. Wenn meine Leistung entsprechend sein sollte und der Bundestrainer mich dabei haben möchte, stehe ich gern bereit.“
Im Verein läuft es bei Ihnen und der Mannschaft trotz der vielen Verletzten richtig rund. Was kann die Mannschaft erreichen?
Glandorf: „Wir stehen auf dem dritten Platz. Wir wollen wieder die Champions League erreichen. Wir haben noch zwei Spiele in diesem Kalenderjahr und hoffen, dass nach der WM-Pause ein Großteil der verletzten Spieler zurückkehrt, damit wir dann auch im Kader mehr Breite haben. Das war ja auch ein Thema in den Medien, dass ich im Verein so gut spiele und dann nicht mit zur WM fahre. Da ist die Verletztenmisere natürlich auch sehr heikel für mich gewesen.“
Warum?
Glandorf: „Eigentlich war das ganz anders geplant, dass ich behutsam aufgebaut werde. Dass teilweise fünf Rückraumspieler verletzt waren, hat mir nicht in die Karten gespielt. Aber ich musste einfach "ran". Ich denke, mein Verein musste lange genug auf mich verzichten.“
War es kein Thema für Sie, im Verein erstmal kürzerzutreten?
Glandorf: „Wenn wir genug Spieler gehabt hätten, wäre es ein Thema gewesen. Unser Trainer ist ja voll involviert, er weiß, was los ist. Er versucht ja im Spiel, mir trotz der vielen Verletzten Pausen zu geben. Und wenn es nur Abwehr-Angriff-Wechsel ist.“