MT Melsungen ärgert die Großen: „Keine Bratwurst mehr“

Frankfurt/Main (dpa) - Ein bisschen Stolz klingt in der Stimme von Michael Roth mit, wenn er über seine Jungs von der MT Melsungen spricht. Mit beherzten Auftritten schickt sich die ehemalige graue Maus der Handball-Bundesliga in dieser Spielzeit an, ganz oben bei den Top-Teams mitzuspielen.

„Wir werden jetzt ganz anders wahrgenommen. Wir sind keine Bratwurst mehr wie noch vor Jahren“, erklärt Trainer Roth. Als Tabellensechster spielen die Underdogs ihre bisher beste Saison in der stärksten Liga der Welt.

Das kommt nicht von ungefähr. Akribisch hat Roth in den vergangenen Jahren an seinem Team der Zukunft gebastelt. „Jetzt habe ich endlich meine Wunschmannschaft zusammen“, sagte der 51-Jährige bereits vor der Saison. Er sollte nicht irren. Die Neuzugänge schlugen perfekt ein, andere machten einen Sprung. So hat sich Linksaußen Michael Allendorf, der gerade seinen Kontrakt um weitere zwei Jahre bis Sommer 2017 verlängert hat, zum Top-Torjäger der Bundesliga entwickelt.

Gemeinsam mit Johannes Sellin, der von den Füchsen Berlin kam, bildet Allendorf die gefährlichste Flügelzange der Liga. Das Duo erzielte bisher 184 Tore. Deutlich mehr als die Auswahlkollegen von den Rhein-Neckar-Löwen, Uwe Gensheimer und Patrick Groetzki (146). Am Sonntag (15.00 Uhr) kommt es in der Rothenbachhalle in Kassel im Top-Spiel zum Duell der schnellen Außenflitzer. Roth rechnet sich gegen den Tabellenvierten einiges aus. „Wir wissen, dass wir an einem sehr guten Tag fast jeden schlagen können.“

Das war vor drei Jahren noch ganz anders. Als Roth im Oktober 2010 in Melsungen anfing, fand er ein bescheidenes Bild vor. Abgeschlagen lagen die Nordhessen mit 0:18 Punkten am Tabellenende. Schnell stabilisierte der Coach seine Mannschaft und schaffte ohne Probleme den Klassenerhalt. Bereits ein Jahr später formulierte er forsch seine hochgesteckten Ziele - einstelliger Tabellenplatz und baldige Teilnahme am Europacup. „Das hat hier viele erschreckt. Die Leute hier sind doch sehr zurückhaltend“, berichtet Roth schmunzelnd.

Mittlerweile sind alle von den Visionen des Trainers überzeugt. Der genießt das uneingeschränkte Vertrauen, weshalb der Verein den Vertrag mit Roth gerade erst bis 2017 verlängert hat. „Ich führe dieses interessante Projekt sehr gerne fort und sehe auch eine Herausforderung darin zu zeigen, dass man die eingesetzten Mittel besser nutzen kann, als dies in der Vergangenheit womöglich der Fall war. Eine Mannschaft, mit der man mehr erreichen will, muss nicht zwangsläufig teurer werden“, erklärt Roth seine Philosophie.

Der Olympia-Zweite von 1984 hat dafür die volle Rückendeckung. „Wir haben mit Michael Roth den für uns optimalen Trainer gefunden. Er hat bewiesen, dass er Ziele nicht nur anpacken, sondern auch umsetzen kann“, erklärt die Aufsichtsratsvorsitzende Barbara Braun-Lüdicke.

Und ganz nebenbei bastelt Roth auch noch am Image des Provinzteams. Vor einigen Tagen trainierten die Profis zwei Stunden mit 80 begeisterten Kindern aus der Region. „Die haben vor Aufregung die ganze Nacht nicht geschlafen“, berichtet Roth. Neben dem Spaß würden solche Aktionen die Mannschaft noch mehr zusammenschweißen. „Hier ist ein neuer Geist eingekehrt“, erklärt der Coach. Das ist auch der Konkurrenz nicht verborgen geblieben.