Reisender Isländer: Sigurdsson entscheidet sich für Japan
Berlin (dpa) - Als Dagur Sigurdsson vor rund 16 Jahren nach Japan zieht, weiß er selbst nicht genau, weshalb.
Er hätte als damaliger Bundesligaprofi mit seiner Familie auch in Deutschland bleiben oder nach Spanien oder Dänemark ziehen können, wie er in seiner Autobiografie schreibt. „Ich könnte nicht einmal einen tiefschürfenden Grund nennen, warum wir das alles nicht gemacht haben.“ Sein Bruder Lárus meine, dass er ein Reisender sei. „Und bei mir wisse man nie, wo die Reise hingeht.“
Nun überrascht der reisende Isländer erneut mit einer Entscheidung, mit der noch vor wenigen Wochen die wenigsten gerechnet hätten. Es zieht ihn zurück nach Japan, als Nationaltrainer. Bereits im Jahr 2000 war der damalige Profi des LTV Wuppertal in die japanische Liga zu Wakunaga Hiroshima gewechselt: „Wir waren jung und neugierig und hatten Lust, die Welt zu entdecken“, schreibt er. Dieser Entdeckergeist treibt den dreifachen Familienvater und seine Ehefrau Ingibjörg diesmal aber nicht an.
Nach fast acht Jahren in Berlin werden sie ihren Lebensmittelpunkt zurück in ihre isländische Heimat verlegen, von dort will der 43-Jährige dann regelmäßig nach Japan fliegen, wenn Termine mit dem Nationalteam anstehen. So hatte er es bereits gemacht, als er 2008 Nationaltrainer Österreichs wurde. Warum aber nun wieder Japan?
Dass Sigurdsson die Japaner mag, ist kein Geheimnis. Mit seinem damaligen Coach bei Wakunaga, Kiyohara Sakamaki, ist er seit langem befreundet, zudem hatte unter seiner Regie ein Mitglied des japanischen Trainerstabs beim DHB hospitiert. Sportlich aber erwartet den Isländer eine riesige Herausforderung.
Erst einmal, 1988, hatte sich eine japanische Männer-Auswahl für Olympische Spiele qualifiziert. Die kommenden Spiele in Tokio 2020 gelten daher als Höhepunkt für den japanischen Handball, ob Sigurdsson aus der Mannschaft aus No-Names jedoch einen Medaillenkandidaten formen kann, erscheint fraglich.
Aber wahrscheinlich ist genau das einer der Gründe, warum er das Team übernehmen möchte, neben möglichen finanziellen Reizen. Als er 2008 Nationalcoach in Österreich wurde, hatte er eine ähnliche Situation vorgefunden, ein schwaches Team, dem kaum Chancen auf Erfolge eingeräumt wurde. „So weit zur Ausgangssituation“, beschreibt er seinen damaligen Schritt in seinem Buch. „Wenn das keine Herausforderung war!“