Rhein-Neckar Löwen am Boden zerstört
Leipzig (dpa) - Uwe Gensheimer starrte ins Nichts, Kim Ekdahl du Rietz weinte hemmungslos und Manager Thorsten Storm musste von Emotionen überwältigt ein Interview abbrechen: Im bittersten Moment der Saison brach für die Handballer der Rhein-Neckar Löwen eine Welt zusammen.
Mit 40:35 beim VfL Gummersbach gewonnen - dennoch standen die Mannheimer am Samstag als traurigste Sieger der Bundesliga-Geschichte da. „Es ist schon komisch: Da gewinnen wir mit fünf Toren und stehen wie der Verlierer da. Es tut unheimlich weh. Dass wir mit leeren Händen dastehen und das Handball-Märchen kein schönes Ende gefunden hat, ist einfach schade“, sagte Storm.
Weil der THW Kiel zur gleichen Zeit mit 37:23 gegen die Füchse Berlin gewann, reichte den Löwen die um sieben Treffer bessere Tordifferenz vor dem Saison-Finale nicht zum ersten Meistertitel. Kiel verteidigte seinen Titel mit zwei Toren Vorsprung gegenüber den punktgleichen Mannheimern.
Einmal mehr ist das Team des scheidenden Trainers Gudmundur Gudmundsson denkbar knapp am großen Coup gescheitert. In der Champions League schieden die Löwen gegen den FC Barcelona im Viertelfinale aufgrund der weniger erzielten Auswärtstore aus. Vor vier Jahren verloren sie das DHB-Pokalfinale mit 33:34 nach Verlängerung gegen den HSV Hamburg.
Schmerzhafte Niederlagen ziehen sich wie ein Roter Faden durch die jüngere Löwen-Geschichte. Doch so niederschmetternd wie diesmal empfanden es die Spieler noch nie. Gensheimer fiel auf den Boden, Routinier Oliver Roggisch richtete ihn wieder auf, dann wischte sich der Kapitän immer wieder mit dem Handtuch übers Gesicht und die Augen. Du Rietz saß einfach nur da und weinte bitterlich. Roggisch strich ihm übers Haar, schnappte sich ein Handtuch und warf es über den Kopf des Kollegen. Der Schwede kauerte noch Minuten weiter wie versteinert, bis ihn Storm väterlich drückte.
„Ich bin gerade total leer, am Boden zerstört und traurig“, gestand Gensheimer. Die 15 Tore des Nationalspielers reichten nicht - die Löwen verspielten in den letzten fünf Minuten einen Sieben-Tore-Vorsprung und damit den ersehnten Titel. „Uns hat der kühle Kopf ein bisschen gefehlt, wir waren zu heiß. Es sah lange so gut aus, aber am Ende haben wir es irgendwie weggeworfen“, meinte der Linksaußen. „Wir sind sauer auf uns selbst und sehr enttäuscht“, erklärte Spielmacher Andy Schmid.
Den Stolz auf eine tolle Saison spürte keiner der Akteure. Nur Gudmundsson verteilte ein verbales Trostpflaster. „Ich bin unheimlich stolz auf die Mannschaft für das, was sie diese Saison geleistet hat. Sie hat überragenden Handball gespielt“, urteilte der Isländer. Das Lob für seine Mannschaft verband der kommende Nationaltrainer Dänemarks mit Kritik am Bundesliga-Modus. „Am Ende fehlen drei Tore zur Meisterschaft, das ist sehr bitter für uns. Dass die deutsche Meisterschaft am Ende mit dem Torverhältnis entschieden wird, ist der größte Blödsinn überhaupt. Es ist totaler Schwachsinn, dass in der besten Liga der Welt das Torverhältnis entscheidet“, monierte er.
Gudmundsson ist dafür, dass bei Punktgleichheit der direkte Vergleich gegeneinander entscheidet. „Das ist besser, als alle Tore mitzunehmen“, behauptete er. Zustimmung erntete er dafür nicht nur von seinem Manager Storm, sondern auch von Gummersbachs Geschäftsführer Frank Flatten. „Ich würde es auch begrüßen, wenn nicht nach dem Torverhältnis entschieden wird“, sagte Flatten.
Im direkten Vergleich hatten beide Teams ihre Heimspiele mit drei Toren Vorsprung gewonnen: Kiel mit 31:28, die Löwen mit 29:26. Damit wären die Mannheimer aufgrund der mehr erzielten Auswärtstore Meister geworden. Im Ligaverband HBL aber ist eine Änderung kein Thema. „Der Modus ist gut und gerecht. Ich sehe keine Veranlassung, daran etwas zu ändern“, sagte HBL-Geschäftsführer Frank Bohmann.