Wer wird Handball-Bundestrainer? Sigurdsson geht, kommt Prokop?

Nach acht Jahren in Deutschland verlagert Sigurdsson seinen Lebensmittelpunkt wieder nach Island.

Dagur Sigurdsson wird künftig die japanischen Handballer trainieren.

Foto: Hendrik Schmidt

Frankfurt. Das private Glück ist Dagur Sigurdsson wichtiger als die sportlich erstklassige Perspektive. Der Handball-Bundestrainer wird die „Bad Boys“ nicht zu Olympia 2020 führen und macht nach der WM im Januar auf eigenen Wunsch Schluss. „Das habe ich aus persönlichen Gründen so entschieden. Jetzt wissen alle Bescheid, und wir können uns mit aller Energie auf die kommende Weltmeisterschaft konzentrieren“, sagte Sigurdsson.

Nach acht Jahren in Deutschland wird der Familienvater seinen Lebensmittelpunkt wieder nach Island verlegen und von dort aus die japanische Nationalmannschaft auf die Spiele 2020 in Tokio vorbereiten. Es verhält sich ganz ähnlich wie Anfang des Jahrtausends in Wuppertal: Damals spielte Sigurdsson erfolgreich bei der HSG LTV/WSV und später bei HCW Wuppertal in der deutschen Bundesliga, verließ den Verein aber 2000 in Richtung: Japan.

Wunschkandidat für die Nachfolge des 43-Jährigen ist Christian Prokop, der beim Bundesligisten SC DHfK Leipzig allerdings noch bis 2021 unter Vertrag steht. „Wir werden die Gespräche mit ihm wieder aufnehmen“, kündigte der für den Leistungssport zuständige DHB-Vizepräsident Bob Hanning gestern an, Hanning will mit Leipzig „eine freundschaftliche Lösung“. Wohlwissend, dass das Projekt scheitern könnte: „Wir werden sicher nicht nur auf dieses Pferd setzen, sondern auch mal gucken, welche guten Alternativen es für den deutschen Handball gibt.“ Die Sachsen wollen Prokop, der wie Sigurdsson viele junge Spieler hervorgebracht hat, unbedingt halten. Prokops Vertrag läuft bis 2021, der DHB müsste eine Ablöse bezahlen.

Neben dem 37-Jährigen gilt Markus Baur, Trainer des Bundesligisten TVB Stuttgart und einst Nachwuchstrainer beim DHB, als Kandidat auf den Job, Baur hat nach Aussage gegenüber unserer Zeitung keinen Kontakt zum Verband: „Mit mir hat niemand gesprochen.“ Er glaube, „dass die vom Verband so benannte A-Lösung schon weiter vorangeschritten ist, als man öffentlich zugibt“. Gleichwohl ist auch Dänemarks scheidender Nationaltrainer Gudmundur Gudmundsson (Olympiasieger von Rio) in der Verlosung. Hannings Plan: Die EM-Qualifikation, die im Juni 2017 abgeschlossen wird, könne notfalls auch ein Interimscoach übernehmen. Kandidat dafür wäre DHB-Co-Trainer Axel Kromer. Spätestens im Juli 2017 soll es dann einen Nachfolger geben.

Für den DHB ist Sigurdssons Abschied ein herber Verlust. Seit August 2014 hatte er die schwächelnden Handballer zurück in die Weltspitze geführt und im Januar mit dem EM-Triumph den größten Coup seit dem WM-Titel 2007 gelandet. Bei den Sommerspielen in Rio folgte mit Bronze die erste Olympia-Medaille seit zwölf Jahren. „Dagur hat das Denken im deutschen Handball nachhaltig geändert — das wird über seine Zeit hinaus wirken“, sagte Hanning über die Arbeit des Isländers, mit dem er schon bei den Füchsen Berlin zusammengearbeitet hatte. „Seit 2014 sind Strukturen entstanden, die halten und Erfolg auch in den kommenden Jahren wahrscheinlicher machen.“ Der vorzeitige Ausstieg seines Freundes aus dem bis 2020 laufenden Vertrag überrascht Hanning nicht, war er von Sigurdsson doch bereits nach den Olympischen Spielen in dessen Pläne eingeweiht worden.