„Persönliche Gründe“ DHB auf Trainersuche: Sigurdsson macht nach WM Schluss
Frankfurt/Main (dpa) - Das private Glück ist Dagur Sigurdsson wichtiger als die sportlich erstklassige Perspektive. Der Handball-Bundestrainer wird die Bad Boys nicht zu Olympia 2020 führen und macht nach der WM im Januar auf eigenen Wunsch Schluss.
„Das habe ich aus persönlichen Gründen so entschieden. Jetzt wissen alle Bescheid, und wir können uns mit aller Energie auf die kommende Weltmeisterschaft konzentrieren“, sagte Sigurdsson.
Nach acht Jahren in Deutschland wird der Familienvater seinen Lebensmittelpunkt wieder nach Island verlegen und von dort aus die japanische Nationalmannschaft auf die Sommerspiele 2020 in Tokio vorbereiten. Wunschkandidat für die Nachfolge des 43-Jährigen ist Christian Prokop, der beim Bundesligisten SC DHfK Leipzig allerdings noch bis 2021 unter Vertrag steht. „Wir werden die Gespräche mit ihm wieder aufnehmen“, kündigte der für den Leistungssport zuständige DHB-Vizepräsident Bob Hanning an.
Zugleich werde man sich „mit den Verantwortlichen in Leipzig in den nächsten Wochen zusammensetzen und gucken, ob wir hier eine einvernehmliche, freundschaftliche Lösung erreichen“, sagte Hanning im TV-Sender Sky. „Aber wir werden sicherlich nicht nur auf dieses Pferd setzen, sondern auch mal gucken, welche guten Alternativen es für den deutschen Handball gibt, sofern man sich da nicht mit Leipzig einigen könnte.“ Die Sachsen wollen Prokop unbedingt halten.
Neben dem 37-Jährigen gelten Markus Baur, Trainer des Bundesligisten TVB Stuttgart, und Dänemarks scheidender Nationaltrainer Gudmundur Gudmundsson als heiße Kandidaten auf den Job. Die Entscheidung werde mit „Ruhe und Bedacht“ getroffen, erklärte Hanning.
Spätestens am 1. Juli 2017 soll der Vertrag mit dem neuen Bundestrainer unterschrieben sein. „Wir wollen eine optimal zur konzeptionellen Ausrichtung des Deutschen Handballbundes passende Person engagieren - dabei geht Qualität vor Tempo. Wir haben absolut keinen Zeitdruck.“ Für die nach der WM anstehenden Länderspiele sei auch eine Interimslösung denkbar.
Für den DHB ist Sigurdssons Abschied ein herber Verlust. Seit seiner Amtsübernahme im August 2014 hatte er die schwächelnden Handballer zurück in die Weltspitze geführt und im Januar mit dem EM-Triumph den größten Coup seit dem WM-Titel 2007 gelandet. Bei den Sommerspielen in Rio folgte mit Bronze die erste Olympia-Medaille seit zwölf Jahren.
„Dagur hat das Denken im deutschen Handball nachhaltig geändert - das wird über seine Zeit hinaus wirken“, würdigte Hanning die Arbeit des Isländers. „Seit 2014 sind Strukturen entstanden, die halten und Erfolg auch in den kommenden Jahren wahrscheinlicher machen.“ Jeder Abschied bedeute aber auch eine Chance für Neues. Es gelte, „die Erfolgsgeschichte mit einem neuen Trainer fortzusetzen“.
Der vorzeitige Ausstieg seines Freundes aus dem bis 2020 laufenden Vertrag überrascht Hanning nicht, war er von Sigurdsson doch bereits nach den Olympischen Spielen in dessen Pläne eingeweiht worden. „Wir bedauern, dass wir Dagur nicht überzeugen konnten, seinen Weg mit unserer Nationalmannschaft fortzusetzen, respektieren jedoch seine persönliche Entscheidung“, sagte DHB-Präsident Andreas Michelmann. „Für seine Arbeit, die über die sportlichen Ergebnisse hinausreicht, sind wir sehr dankbar.“
Die WM in Frankreich wird nun zum letzten Hurra für Sigurdsson. „Alle Beteiligten wissen jetzt, woran sie sind. Nun geht es darum, gemeinsam alles für eine erfolgreiche Weltmeisterschaft zu investieren, Dagur einen bestmöglichen Abschied zu bereiten und den positiven Weg des deutschen Handballs fortzusetzen“, formulierte Hanning das Ziel.
Sorgen um die Motivation des Noch-Bundestrainers macht er sich nicht. „Dagur ist nie satt, was Titel angeht. Er ist ein großartiger Trainer, der mit noch mehr Energie in das Turnier gehen wird“, prophezeite Hanning. „Er wird alles dafür tun, sich mit einem sportlichen Erfolg zu verabschieden.“