Susann Müller und die EM: Bange Blicke auf den Finger
Leipzig (dpa) - Es sieht gar nicht so schlimm aus. Kein Gips, keine Schiene. Nur ein unauffälliges Tape kündet äußerlich von dem inneren Schaden.
Susann Müller hat sich vor rund einem Monat den Ringfinger der linken Wurfhand gebrochen. Und noch immer ist ungewiss, ob sie von Montag an bei der Handball-EM spielen kann. „Die Chancen stehen 50:50. Ich bin optimistisch, dass es klappt“, sagte die Torschützenkönigin der WM 2013 in Serbien, wo sie 62 Tore in sieben Spielen erzielte.
Bei den letzten beiden Testspielen der deutschen Nationalmannschaft war gebürtige Thüringerin nur mitfiebernde Zuschauerin. Ohne die Rückraumspielerin vom ungarischen Top-Club Györi ETO KC zog die Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB) am Samstag in Krefeld mit 23:27 und am Sonntag in Hamm mit 23:26 jeweils den Kürzeren gegen Rumänien. Susann Müller wurde dabei nicht nur wegen ihrer Wurfqualitäten aus dem Rückraum schmerzlich vermisst. „Sie fehlt unserem Spiel“, gab Bundestrainer Heine Jensen freimütig zu. Die EM 2012 hatte sie wegen einer Knieverletzung verpasst.
Eine Röntgenaufnahme am vergangenen Donnerstag zeigte Fortschritte beim Heilungsverlauf des Fingers. „Man sieht, dass es besser zusammenwächst“, berichtete der Däne. Er möchte die 26 Jahre alte Müller um fast jeden Preis bei der EM dabei haben. Sie ist immerhin die einzige Rückraumspielerin mit Spitzenformat in seiner Auswahl. Deswegen hält er sich die Option offen, sie notfalls auch nachträglich zum EM-Turnier einfliegen zu lassen. „Die Frage ist, ob sie schon am ersten Spieltag dazukommen kann. Oder sie kommt nach“, meinte Jensen.
Susann Müller, die seit ihrem ersten Weggang vom HC Leipzig 2010 im Saisontakt von SK Aarhus zu Randers HK, weiter zu RK Krim Ljubljana, zurück nach Leipzig und schließlich zuletzt nach Györ gewechselt ist, möchte unbedingt bei der EM in Kroatien und Ungarn spielen. „Ungarn wäre ein Heimspiel, wenn wir bis Budapest kommen sollten“, sagte sie.
Dafür müsste die DHB-Auswahl die Vorrunde in Varazdin gegen die Niederlande, Co-Gastgeber Kroatien und Schweden erfolgreich meistern, in der anschließenden Hauptrunde in Zagreb mindestens Dritter werden und so wenigstens das Spiel um Platz fünf erreichen.
Am Mittwoch im Abschlusstraining soll die Entscheidung fallen, ob und - wenn ja - wann Susann Müller bei der EM auflaufen kann. „Ich habe halt noch nicht mit dem Ball trainiert“, erklärte sie. Bis dahin müssen Jensen und seine Frauen in der Sportschule Kaiserau ohne die Linkshänderin daran arbeiten, die Mängel aus den Rumänien-Spielen zu beseitigen.
Fehlende Durchschlagskraft und Präzision in der Offensive hatten immer wieder zu Ballverlusten und Gegentoren geführt. „Wir müssen mehr Mut haben im Angriff“, forderte der Däne. Insgesamt habe die Dynamik gefehlt, sowohl im vorn als auch in der Abwehr war ihm alles zu statisch. Dabei kämpfen der Bundestrainer und seine Spielerinnen auch gegen die Zeit. Jensen: „Alles werden wir nicht abstellen können. Aber wir werden alles tun, um gut gegen die Niederlande zu spielen.“ Dann vielleicht auch mit Susann Müller.