Interview: Zwischen Genie und Wahnsinn
Der ehemalige Fußballprofi Ansgar Brinkmann hat über die Achterbahnfahrt seiner Karriere ein Buch geschrieben.
Osnabrück. 59 Bundesligaspiele, keine internationalen Einsätze, Vereine wie Bayer Uerdingen, Osnabrück, Münster, Bielefeld, Gütersloh — und Eintracht Frankfurt. Ansgar Brinkmann galt in seiner schillernden Karriere als „Kultspieler“, als einer, der sich nicht unterordnen konnte, immer eine kesse Lippe riskierte und dem eine große Karriere versagt blieb.
Vier Jahre nach dem Karriereende haben Sie ein Buch geschrieben. Mit Verlaub, Herr Brinkmann, warum?
Ansgar Brinkmann: Gute Frage. Sicher gibt es Bücher, die mehr Sinn machen. Aber ich habe mich nicht danach gedrängt. Die Anfragen gab es schon einige Male, und irgendwann habe ich mir gesagt: Warum nicht? Es war eine tolle Sache, mein Fußball-Leben aufzuarbeiten.
Was ist die prägende Erkenntnis beim Blick zurück auf 20 Fußballjahre zwischen Genie und Wahnsinn?
Brinkmann: Es war an manchen Stellen bitter, so klar auf die eigenen Fehler zu schauen und sich zu fragen: Wie blöd war ich eigentlich? Das tut weh.
Würden Sie so weit gehen und sagen: Ich habe eine große Karriere verschenkt?
Brinkmann: Nein, das würde ich nicht sagen. Ich habe eine unglaubliche Achterbahnfahrt hinter mir und möchte keine Kurve missen. Manchmal hat es mich fast hinausgetragen. Ich habe viel Blödsinn gemacht, aber niemals anderen geschadet. Und ich habe es immerhin bis in die Bundesliga geschafft — wenn ich das nicht geschafft hätte, das hätte ich nicht verkraftet, daran wäre ich zerbrochen.
Aus der Kreisklasse in die Bundesliga.
Brinkmann: Ein verrücktes Ding oder? Ich war in Cloppenburg gelandet, da hatte mich der Sponsor gezwungen, für seinen Klub zu spielen — mit Geld. Wir sind aneinandergeraten, und ich wurde in die 2. Mannschaft strafversetzt — Kreisklasse, eine über der Thekenliga.
Und dann rief Eintracht Frankfurt an — der disziplinversessene Horst Ehrmantraut holte einen skandalumwitterten Rebellen wie Ansgar Brinkmann.
Brinkmann: Hier ist der letzte Rebell, so habe ich mich damals immer am Telefon gemeldet. Ich hielt das für einen Scherz, aber es war Wirklichkeit: Von null auf hundert. Frankfurt war meine letzte Chance und die musste ich unbedingt nutzen.
Mit der Eintracht sind Sie aufgestiegen und drin geblieben in einem der wahnsinnigsten Abstiegsfinals aller Zeiten.
Brinkmann: Mein Gott, was haben wir das damals gefeiert. Aber auf dem Platz habe ich immer alles gegeben. Okay, manchmal war es wild, aber vieles ist auch übertrieben worden. Ich habe in meinem ganzen Leben noch keine Zigarette auf Lunge geraucht und war nicht halb sooft betrunken wie andere. Zugegeben, die eine oder andere Eskapade habe ich mir schon geleistet. Aber ich konnte sie mir leisten, weil ich auch unter Druck außergewöhnliche Leistungen bringen konnte.
Sie haben viel Geld verdient, bei Tennis Borussia so viel, dass Sie einen Porsche bar bezahlt haben. Auf der sorgenfreien Seite sind Sie aber nicht.
Brinkmann: Nein, aber ich habe das Schlimmste hinter mir. Ich habe viel verloren durch schlechte und falsche Beratung, aber jetzt ist Land in Sicht. Mit Büchern kann man kaum Geld verdienen. Aber Geld war nie mein Hauptantrieb. In Mainz hatte ich einen Zweijahresvertrag mit 10.000 Mark Monatsgehalt plus Prämien unterschrieben. In der Sommerpause bin ich in die Vorstandssitzung mit Harald Strutz und Christian Heidel geplatzt und habe gesagt: Vergesst den Vertrag, ich komme nicht wieder.
Waren Sie in Behandlung wegen Ihrer Unfähigkeit, Autoritäten zu akzeptieren?
Brinkmann: Ich war ein Freigeist, der schwer zu zähmen war. Aber ich bin auch kein Idiot. Wer mir Freiheiten gegeben hat, der hat sich auf mich hundertprozentig verlassen können. Bei Benno Möhlmann habe ich vor dem Spiel einmal Pommes rot-weiß gegessen. Der ist ausgerastet, hat mich aber spielen lassen. Ich war gut, und Benno hat gesagt: Von mir aus kann der nächste Woche auch eine Currywurst dazu essen.
Wie haben Sie mal gesagt? Es gibt viele, die ein Klavier tragen, aber nur wenige, die es spielen können.
Brinkmann: War einer der Sprüche, die ich einmal gesagt habe und die mich auf ewig verfolgen. Kann ich mit leben.