Kein Platz für Timo Boll auf dem WM-Podest
Suzhou (dpa) - Die deutsch-chinesische Freundschaft kennt auch für Timo Boll Grenzen. Der in China stets willkommene und lautstark unterstützte Tischtennis-Star durfte bei der WM in Suzhou nicht mit auf das Podest.
Der Rekord-Europameister und sein Düsseldorfer Clubkollege Patrick Franziska scheiterten als beste Europäer im Viertelfinale. Trotz ihrer starken Leistungen blieb das deutsche Aufgebot medaillenlos und verfehlte das offensiv formulierte WM-Ziel.
Bolls Doppel-Partner Ma Long krönte die Dominanz der Gastgeber am Sonntag mit einem 4:2-Finalsieg über Fang Bo. Für den Champion war es der erste Einzel-Titel. Am Vortag hatte in Ding Ning ein anderer Publikumsliebling Gold im Damen-Einzel trotz einer Knöchelverletzung gewonnen. China holte zum neunten Mal alle fünf Titel und war in vier Finals unter sich. Für Europa blieb einmal Bronze für das Damen-Doppel Li Jie/Li Qian (Niederlande/Polen) übrig.
Der 34-jährige Boll knüpfte mit seinem Glanzauftritt beim 2:4 gegen den Weltranglisten-Vierten Fan Zhendong an frühere Zeiten an. „Es war ein großartiges Spiel, das riesigen Spaß gemacht hat. Ich habe sogar die chinesischen Zuschauer auf meine Seite gezogen. Das macht mich stolz“, sagte der WM-Dritte von 2011 nach der dritten Niederlage im vierten Viertelfinale seiner langen Karriere.
„Das war fast ein Jahrhundertspiel“, lobte Michael Geiger, Präsident des Deutschen Tischtennis-Bundes (DTTB), den offenen Schlagabtausch auf Augenhöhe. Boll konnte allerdings anfangs mehrere gute Chancen nicht nutzen. Deshalb geriet er mit 0:2 gegen den 18-jährigen Chinesen in Rückstand und fühlte an die WM 2013 erinnert, als er ebenfalls in einem denkwürdigen Viertelfinale mit 2:4 gegen Ma Long verlor
„Leider brechen einem die Sätze, die man gegen die Chinesen nicht gewinnt, am Ende das Genick“, analysierte Boll. Sein hohes Niveau, das er nach einer deutlichen Steigerung erreichte, imponierte auch Jörg Roßkopf. „Wir müssen uns um Rio 2016 bei Timo keine Gedanken machen. Bei den großen Turnieren kann er alles rausholen“, sagte der Bundestrainer.
Auch Shooting-Star Franziska erhöhte in Suzhou seine Olympia-Chance. Sein unerwarteter Siegeszug, der die Enttäuschung über das frühe WM-Aus von Europameister Ovtcharov etwas wettmachte, endete mit dem 1:4 gegen den Chinesen Fang Bo. „Hinter den Bällen steckt eine unglaubliche Wucht. Ich muss noch an der Schnelligkeit arbeiten“, berichtete der 22-Jährige. Einen Seitenhieb verteilte Roßkopf an den Olympia-Dritten Ovtcharov, der seinen Gegner starkgeredet hatte: „Dima ist enttäuscht und soll sich zu Hause seine Gedanken machen.“
Irene Ivancan erreichte im Damen-Einzel das Achtelfinale. Das Mixed Steffen Mengel/Petrissa Solja steuerte eine Viertelfinale-Teilnahme zu der ordentlichen, aber keineswegs überragenden Bilanz bei. Heike Ahlert bewertete das Abschneiden dennoch positiv. „Das war eine gute WM“, bilanzierte die DTTB-Vizepräsidentin Leistungssport.
Die Chinesen bauten trotz ihres Hilfsprogramms für andere Länder den Vorsprung gegenüber dem Rest der Welt aus. Beim Herren-Doppel Timo Boll/Ma Long funktionierte die Maßnahme nicht, im Mixed feierten die Fans in der nur selten voll besetzten Messehalle den Chinesen Xu Xin und seine südkoreanische Partnerin Yang Haeun als neue Weltmeister.