Krefeld Handball-Helden erobern Sportpark
Krefeld · Beim SC Bayer Uerdingen spielen ab sofort Menschen mit geistiger Behinderung und nicht eingeschränkte Vereinssportler gemeinsam Handball.
„Ich nehm dich bei der Hand, zeig dir das Märchenland“, so lautet die Titelmelodie einer bekannten Kinder-Fernsehserie, die mit dem Handballsport beim SC Bayer Uerdingen auf den ersten Blick wenig Gemeinsamkeiten teilt. Die Special Olympics Worldgames, die im Juni in Berlin stattfanden, haben beeindruckend gezeigt, wie fantastisch eine Sportveranstaltung für Menschen mit geistiger Behinderung sein kann und zeitgleich die Frage aufgeworfen: Wie würden Olympische Spiele aussehen, an denen sowohl Menschen mit geistiger Behinderung, als auch ohne teilnehmen können? Gastgeber der Olympischen Spiele wird der SC Bayer Uerdingen in den nächsten Jahren wohl nicht werden, eine Antwort auf diese Frage hat der Verein, zumindest im kleinen Rahmen, trotzdem gefunden. Getreu dem Motto „Ich nehm dich bei der Hand, zeig dir die Handball-Welt“, richtet der Verein gemeinsam mit der Lebenshilfe Krefeld seit der letzten Woche ein inklusives Handballtraining aus und erweckt eine märchenhafte Idee zum Leben.
„Die einen geben alles, die anderen nehmen sich ein zurück“
Thomas Floethe, Jugendkoordinator Handball beim SC Bayer Uerdingen, nimmt die Teilnehmer des inklusiven Handballtrainings wortwörtlich bei der Hand. Jeder absolviert die Fitnessübungen so gut er kann, wer Hilfe braucht, erhält sie von Floethe oder Henrik von Bihl, Sportbetreuer bei der Lebenshilfe Krefeld. Seit der vergangenen Woche trainieren und spielen Menschen mit geistiger Behinderung gemeinsam mit nicht eingeschränkten Vereinssportlern Handball. Er kürzlich trainierten Sportler von den Cayman Islands im Rahmen des „Host Town Programms“ auf der Anlage des SC Bayer und bereiteten sich auf die Special Olympics vor. Im Anschluss daran entstand die inklusive Handballmannschaft: „Vor etwa fünf Jahren habe ich ein Seminar beim Deutschen Handballbund besucht“, erzählt Floethe und führt aus: „Von da an war ich von der Idee des gemeinsamen Trainings infiziert.“ Quasi aus dem Stegreif sei die Idee nun umgesetzt worden und erfreut sich großem Zuspruch. Die jüngste Teilnehmerin ist gerade einmal vier Jahre alt, die ältesten weisen ein Alter von Ende 20 auf.
Nach dem gemeinsamen Aufwärmen werden erste Grundlagen des Handballsports trainiert. Dass alle Mannschaftsmitglieder auf einem unterschiedlichen Niveau sind, ist dabei völlig nebensächlich: „Die einen geben alles, was sie haben, die anderen nehmen sich ein wenig zurück“, erklärt Floethe und lebt vollen Körpereinsatz vor. Der eigene körperliche Einsatz sei ein anderer, als beispielsweise bei einer älteren Vereinsmannschaft. Auch Fragen in seine Richtung haben einen anderen Schwerpunkt: „Darf ich heute Kapitän sein beim Trainingsspiel“, wird Floethe mehrfach gefragt. Sportlicher Ehrgeiz ist allen Teilnehmern anzumerken, ausgelebt wird er auf eine besondere Art und Weise, menschlich und auf Augenhöhe. Nach missglückten Anspielen wird nicht gemeckert, stattdessen wird die Halle im Uerdinger Sportpark mit einer herzlichen Atmosphäre gefüllt. „Entsprechend dem Inklusionsgedanken wird ein Wir-Gefühl erzeugt“, erklärt von Bihl. Floethe ergänzt: „Die Toleranzgrenze ist groß, hier wird niemandem ein Fehler übel genommen.“ Nach und nach sollen in den Trainingseinheiten, die von nun an wöchentlich stattfinden werden, die handballerischen Fähigkeiten verbessert werden. Ein besonderer Fokus liegt dabei aber auch auf Themen, die nicht in erster Linie sportlich sind: „Die Ruhephasen während des Trainings sind sehr wichtig, zudem basieren die Übungen auf Freiwilligkeit, wir motivieren zur Teilnahme, aber niemand wird gezwungen“, erklärt von Bihl.
Am Ende einer jeden Trainingseinheit gibt es das sogenannte Trainingsspiel: „Hier wird etwas ‚ernster‘ gespielt“, sagt von Bihl und führt aus: „Wir achten darauf, dass wirklich nur sechs gegen sechs auf dem Feld gespielt wird und versuchen, die Handball-Regeln zu integrieren.“ In der näheren Umgebung gibt es in Neuss eine weitere inklusive Handballmannschaft: „Vielleicht wird es ein Freundschaftsspiel geben“, blickt von Bihl in die Zukunft. In den kommenden Wochen wird die neu formierte Mannschaft erst einmal die Grundstrukturen des Handballs lernen. Neben Passen und Dribbeln wird das Special-Olympics-Motto „Zusammen unschlagbar“ sicherlich einen großen Platz innerhalb des Teams einnehmen.