Lanzingers zweite Karriere als Paralympionike
Krasnaja Poljana (dpa) - Wenn man so will, ist Matthias Lanzinger der prominenteste Neuling bei den Paralympics von Sotschi.
Bis vor sechs Jahren war der österreichische Skirennfahrer auf der alpinen Weltcuptour etabliert, ehe er im norwegischen Kvitfjell bei einem verhängnisvollen Sturz sein linkes Bein verlor. Der schwere Unfall veränderte sein Leben schlagartig. Akribie und Ehrgeiz aber erhielt sich der 33-Jährige. Er setzte sich schnell ein neues Ziel: die Weltspiele der Behinderten. „Ich bin der einzige Quereinsteiger, der es bis an die Weltspitze geschafft hat“, sagt der Alpinspezialist.
Indizien dafür erbrachte Lanzinger gleich zu Beginn der Paralympics im „Rosa Chutor“-Skizentrum von Krasnaja Poljana. Im Super-G raste er mit seiner Beinprothese zu Silber, in der Abfahrt verpasste er in der stehenden Klasse nur um 27 Hundertstelsekunden das Podest. Vor dem zweiten Teil der Super-Kombination liegt Lanzinger auf Rang drei, auch im Riesenslalom am Samstag rechnet er sich etwas aus. „Das war ein guter Anfang, ich habe mir hier zumindest ein bis zwei Medaillen vorgenommen“, meint er ehrgeizig. Auf einen Start im Slalom am Donnerstag verzichtete er indes, um seinen Körper nicht zu überlasten.
Mithalten mit jenen, die teils seit der Geburt, teils seit der Kindheit mit ihren Behinderungen leben und somit eine viel größere Rennerfahrung mitbringen, kann er. Auch wenn der Profi lernen musste, dass „es extrem schwierig ist, überhaupt mit einer Prothese Ski zu fahren“. Natürlich zieht Lanzinger manchmal Vergleiche mit früheren Zeiten. „Das hier ist eine neue Herausforderung mit viel weniger Drumherum, alles ist dafür viel familiärer“, sagt er.
Im kanadischen Québec wurde er 2000 Junioren-Weltmeister, danach mehrmals österreichischer Meister. Lanzinger setzte sich gegen die eminent große nationale Konkurrenz durch und schaffte es ins Weltcupteam. 2004 gab er dort sein Debüt, 2005 fuhr er im Super-G von Beaver Creek auf Rang drei. „Ich habe in den unteren Kategorien alles gewonnen, was es zu gewinnen gab. Ich habe kein überragendes Talent gehabt, aber immer akribisch gearbeitet“, urteilt er.
Drei Jahre später schockten die Bilder seines schweren Unfalls die ganze Sportwelt: Beim Super-G in Kvitfjell überschlug sich der Österreicher am 2. März 2008 nach einem verunglückten Sprung mehrfach und blieb regungslos liegen. Die Ärzte diagnostizierten einen offenen Schien- und Wadenbeinbruch und schwere Gefäßverletzungen. Trotz mehrerer Not-Operationen in der Nacht konnten die Mediziner sein linkes Bein nicht mehr retten. „Ein ärztlicher Operationsfehler hat vorgelegen, das ist Fakt“, sagt Lanzinger heute.
Sechs Jahre danach hat er sich mit seinem Schicksal abgefunden. Als „rundum glücklichen Menschen“ beschreibt sich der Mann aus der Nähe von Salzburg selber. Er hat inzwischen sein Sportmanagementstudium abgeschlossen, will jetzt noch ein zweites dranhängen, „damit ich für die Zukunft abgesichert bin“. Vorher sollen bei den Paralympics weitere Medaillen her. Andererseits weiß Lanzinger auch wie kaum ein anderer, dass Platzierungen längst nicht alles im Leben sind. „Mir imponiert die Einstellung der Athleten bei den Paralympics. Das hier ist eine extrem gute Lebensschule“, sagt er.