Bei der WM ist der Doping-Verdacht allgegenwärtig

Peking (dpa) - Der Zweifel wird für Sportler und Zuschauer bei der Leichtathletik-Weltmeisterschaft in Peking ein ständiger Begleiter sein. Nach den jüngsten Doping-Enthüllungen wird jeder große Wurf, jede außergewöhnliche Leistung bei den Titelkämpfen mehr denn je beargwöhnt werden.

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Wer ist sauber? Wer ist gedopt? „Wenn kurz vor der WM unsere Sportart mit Doping in Verbindung gebracht wird, ist das ein Schatten“, sagte Helmut Digel, deutsches Council-Mitglied des Weltverbandes IAAF.

Hat die IAAF von 2001 bis 2012 eine Vielzahl von Ausdauerathleten mit dopingverdächtigen Blutwerten vorsätzlich nicht gesperrt oder vermeintliche Fälle vertuscht? Eine ARD-Dokumentation hat die Auswertung einer Liste aus der IAAF-Datenbank mit 12 000 Bluttests von rund 5000 Leichtathleten präsentiert. Danach sollen unter den Sportlern mit dopingverdächtigen Werten 146 Medaillengewinner von WM und Olympischen Spielern gewesen sein - unter ihnen 55 Sieger.

„Die Daten sind alarmierend“, meinte Digel. Dennoch ist er empört über die ARD-Doku. Denn: „Wir wissen, dass man von hohen Blutwerten nicht direkt auf Doping schließen darf und kann. Der Schaden ist für die Leichtathletik erheblich und stellt viele saubere Athleten unter Verdacht.“

Die IAAF wies alle Anschuldigungen nicht nur energisch zurück, sondern versuchte mit einer Gegenoffensive ihre Glaubwürdigkeit im Anti-Doping-Kampf nachzuweisen. Gerade zur rechten Zeit präsentierte die IAAF, die nach eigenen Angaben pro Jahr rund drei Millionen Dollar in die Doping-Bekämpfung investiert, einen Erfolg: Nachtests von 28 Leichtathleten bei den WM 2005 und 2007 haben dopingverdächtige Werte erbracht. Untersuchungen wurden eingeleitet.

„Diese 28 Ermittlungen können mit der IAAF-Liste der Bluttests nichts zu tun haben“, erklärte Doping-Experte Fritz Sörgel der dpa. Sonst müssten eindeutig verbotene Substanzen gefunden worden sein und es sich um Urin-Nachtests handeln. „Im Urin gibt es keine halbverdächtigen Werte. Da gibt es nur Ja oder Nein.“

Beachtlich ist die offizielle IAAF-Statistik der gesperrten Leichtathleten, die mit Stand vom 6. August etwa 290 Namen enthielt - darunter nur ein Deutscher: Kofi Amoah Prah, der Olympia-Fünfte von 2000 im Weitsprung. Er wurde wegen Kokain-Dopings gesperrt.

Es vergeht ohnehin kaum ein Tag, an dem nicht Doping-Neuigkeiten aus der Leichtathletik öffentlich werden, wie zuletzt am Montag die langjährige Sperre für die türkische Läuferin Asli Çakir Alptekin, die immerhin 2012 Olympiasiegerin in London war.

Kaum der Glaubwürdigkeit dient jedoch, dass weder WADA noch die IAAF-Ethikkommission etwas zum Stand der Untersuchung des Vorwurfes von angeblich systematischem Doping in Russland öffentlich gemacht haben. „Je länger das hinausgeschoben wird, umso größerer Schaden entsteht“, kritisierte Thomas Kurschilgen, Sportdirektor des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV), das Schweigen und forderte, „zügig zielführend für Transparenz“ zu sorgen.

Dass über diese Anfang des Jahres begonnenen Untersuchungen gar nichts bekannt ist, verstärkt nach Ansicht von Sörgel auch das mulmige Gefühl der Athleten bei der WM: „Das macht die Sportler untereinander unsicher.“ Auf jeden Fall sind viele Athleten sauer. „Auf mich macht der Weltverband den Eindruck, dass nicht sein kann, was nicht sein darf“, kritisierte 800-Meter-Läuferin Fabienne Kohlmann bei „spox.com“.

Auch in einem von Diskus-Olympiasieger Robert Harting initiierten Video äußern DLV-Athleten ihren Frust. „Ich möchte gegen saubere Athleten laufen - nicht gegen Monster“, hieß es auf einem Schild, das 800-Meter-Läufer Robin Schembera hochhielt.